Vorlesezeit für Kinder: 92 min
Eigene Erzählung
Ich trat meine Reise nach Russland von Haus ab mitten im Winter an, weil ich ganz richtig schloss, dass Frost und Schnee die Wege durch die nördlichen Gegenden von Deutschland, Polen, Kur- und Liefland, welche jeder Reisende, als fast noch elender, wie die nach dem Tempel der Tugend, beschreibet, endlich, ohne besondere Kosten hochpreislicher wohlfürsorgender Landes-Regierungen, ausbessern müsste. Ich reiste zu Pferde, welches, wenn es sonst nur gut um Gaul und Reiter steht, die bequemste Art zu reisen ist.
Denn man riskiert alsdann weder mit irgendeinem „höflichen“ deutschen Postmeister eine Affaire d’honneur zu bekommen, noch von seinem durstigen Postillion vor jede Schenke geschleppt zu werden. Ich war nur leicht bekleidet, welches ich ziemlich übel empfand, je weiter ich gegen Nordost hinkam. Nun kann man sich einbilden, wie bei so strengem Wetter, unter dem rauesten Himmelsstriche, einem armen alten Manne zu Mute sein musste, den ich in Polen unter einem Haselbusche an der Heerstraße antraf, wie er so hilflos und schaudernd da lag und kaum hatte, womit er seine Schamblöße bedecken konnte.
Der arme Teufel dauerte mich von ganzer Seele. Ob mir nun gleich selbst das Herz im Leibe fror, so warf ich dennoch meinen Reisemantel über ihn her. Plötzlich erscholl eine Stimme vom Himmel, die dieses Liebeswerk ganz ausnehmend herausstrich und mir zurief: Hohl mich der Teufel, mein Sohn, das soll dir nicht unvergolten bleiben! Ich ließ das gut sein und ritt weiter, bis Nacht und Dunkelheit mich überfielen. Nirgends war ein Dorf zu hören, noch zu sehn. Das ganze Land lag unter Schnee. Und ich wusste weder Weg noch Steg.
Des Reiten’s müde stieg ich endlich ab, und band mein Pferd an eine Art von spitzem Baumstaken, der über dem Schnee hervorragte. Zur Sicherheit nahm ich meine Pistolen unter den Arm, legte mich nicht weit davon in den Schnee nieder und tat ein so gesundes Schläfchen, dass mir die Augen nicht eher wieder aufgingen, als bis es heller lichter Tag war. Wie groß war aber mein Erstaunen, als ich fand, dass ich mitten in einem Dorfe auf dem Kirchhofe lag! Mein Pferd war anfänglich nirgends zu sehen. Doch hörte ich’s bald darauf irgendwo über mir. Als ich nun empor sah, so wurde ich gewahr, dass es an den Wetterhahn des Kirchturms gebunden war und von da herunter hing.
Nun wusste ich sogleich, wie ich dran war. Das Dorf war nämlich die Nacht über ganz und gar zugeschneit gewesen. Das Wetter hatte sich auf einmal umgesetzt. Ich war im Schlafe nach und nach, so wie der Schnee zusammen geschmolzen war, ganz sanft herabgesunken. Und was ich in der Dunkelheit für den Stummel eines Bäumchens, der über dem Schnee hervorragte, gehalten, und daran mein Pferd gebunden hatte, das war das Kreuz oder der Wetterhahn des Kirchturmes gewesen. Ohne mich nun lange zu bedenken, nahm ich eine von meinen Pistolen, schoss nach dem Halfter, kam glücklich auf die Art wieder an mein Pferd und verfolgte meine Reise.
Hierauf ging alles gut, bis ich nach Russland kam, wo es eben nicht Mode ist, des Winters zu Pferde zu reisen. Wie es nun immer meine Maxime ist, mich nach dem bekannten: ländlich sittlich, zu richten, so nahm ich dort einen kleinen Rennschlitten auf ein einzelnes Pferd und fuhr wohlgemut auf St. Petersburg los. Nun weiß ich nicht mehr recht, ob es in Estland, oder in Ingermanland war, so viel aber besinne ich mich noch wohl, es war mitten in einem fürchterlichen Walde, als ich einen entsetzlichen Wolf, mit aller Schnelligkeit des gefräßigsten Winterhungers hinter mir ansetzen sah. Er holte mich bald ein. Und es war schlechterdings unmöglich, ihm zu entkommen.
Mechanisch legte ich mich platt in den Schlitten nieder und ließ mein Pferd zu unserm beiderseitigen Besten ganz allein agieren. Was ich zwar vermutete, aber kaum zu hoffen und zu erwarten wagte, das geschah unmittelbar. Der Wolf bekümmerte sich nicht im Mindesten um meine Wenigkeit, sondern sprang über mich hinweg, fiel wütend auf das Pferd, riss ab und verschlang auf einmal den ganzen Hinterteil des armen Tieres, welches vor Schrecken und Schmerz nur desto schneller lief. Wie ich nun auf die Art selbst so unbemerkt und gut davon gekommen war, so erhob ich ganz verstohlen mein Gesicht und nahm mit Entsetzen wahr, dass der Wolf sich beinahe über und über in das Pferd hineingefressen hatte.
Kaum aber hatte er sich so hübsch hineingezwänget, so nahm ich mein Tempo wahr, und fiel ihm tüchtig mit meiner Peitschenschnur auf das Fell. Solch ein unerwarteter Überfall in diesem Futteral verursachte ihm keinen geringen Schreck. Er strebte mit aller Macht vorwärts. Der Leichnam des Pferdes fiel zu Boden, und siehe! an seiner Statt steckte mein Wolf in dem Geschirre. Ich meines Orts hörte nun noch weniger auf zu peitschen, und wir langten in vollem Galopp gesund und wohlbehalten in St. Petersburg an, ganz gegen unsere beiderseitigen respektive Erwartungen, und zu nicht geringem Erstaunen aller Zuschauer.
Ich will Ihnen, meine Herren, mit Geschwätz von der Verfassung, den Künsten, Wissenschaften und anderen Merkwürdigkeiten dieser prächtigen Hauptstadt Russlands keine lange Weile machen; viel weniger Sie mit allen Intrigen und lustigen Abenteuern der Gesellschaften vom Bonton, wo die Frau vom Hause den Gast allzeit mit einem Schnaps und Schmatz empfängt, unterhalten. Ich halte mich vielmehr an größere und edlere Gegenstände Ihrer Aufmerksamkeit, nämlich an Pferde und Hunde, wovon ich immer ein großer Freund gewesen bin; ferner an Füchse, Wölfe und Bären, von welchen, so wie von anderem Wildbret, Russland einen größeren Überfluss, als irgend ein Land auf Erden hat; endlich an solche Lustparthien, Ritterübungen und preisliche Taten, welche den Edelmann besser kleiden, als ein bisschen muffiges Griechisch und Latein, oder alle Riechsächelchen, Klunkern und Kapriolen französischer Schöngeister und – Haarkräuseler.
Da es einige Zeit dauerte, ehe ich bei der Armee angestellt werden konnte, so hatte ich ein Paar Monate lang vollkommene Muße und Freiheit, meine Zeit sowohl, als auch mein Geld auf die adeligste Art von der Welt zu verjunkeriren. Sie können sich leicht vorstellen, meine Herren, dass ich von beiden nicht wenig außer der Stadt mit solchen wackeren Kumpanen vertat, welche ein offenes unbeschränktes Waldrevier gehörig zu schätzen wussten. Sowohl die Abwechslung des Zeitvertreibes, welchen dieses mir darbot, als auch das außerordentliche Glück, womit mir jeder Streich gelang, gereichen mir noch immer zur angenehmsten Erinnerung.
Eines Morgens sah ich durch das Fenster meines Schlafgemachs, dass ein großer Teich, der nicht weit davon lag, mit wilden Enten gleichsam überdeckt war. Flugs nahm ich mein Gewehr aus dem Winkel, sprang zur Treppe hinab, und das so über Hals und Kopf, dass ich unvorsichtiger Weise mit dem Gesichte gegen die Türpfosten rannte. Feuer und Funken stoben mir aus den Augen; aber das hielt mich keinen Augenblick zurück. Ich kam bald zum Schuss. Allein wie ich anlegte, wurde ich zu meinem großen Verdrusse gewahr, dass durch den soeben empfangenen heftigen Stoß sogar der Stein von dem Flintenhahne abgesprungen war. Was sollte ich nun tun? Denn Zeit war hier nicht zu verlieren.
Glücklicher Weise fiel mir ein, was sich soeben mit meinen Augen zugetragen hatte. Ich riss also die Pfanne auf, legte mein Gewehr gegen das wilde Geflügel an und ballte die Faust gegen eins von meinen Augen. Von einem derben Schlage flogen wieder Funken genug heraus, der Schuss ging los, und ich traf fünf Paar Enten, vier Rothhälse, und ein Paar Wasserhühner. Gegenwart des Geistes ist die Seele mannhafter Taten. Wenn Soldaten und Seeleute öfters dadurch glücklich davon kommen, so dankt der Waidmann ihr nicht seltener sein gutes Glück.
So schwammen einst auf einem Landsee, an welchen ich auf einer Jagdstreiferei geriet, einige Dutzend wilder Enten allzu weit voneinander zerstreut umher, als dass ich mehr denn eine einzige auf einen Schuss zu erlegen hoffen konnte. Und zum Unglück hatte ich meinen letzten Schuss schon in der Flinte. Gleichwohl hätte ich sie gern alle gehabt, weil ich nächstens eine ganze Menge guter Freunde und Bekannten bei mir zu bewirten Willens war. Da besann ich mich auf ein Stückchen Schinkenspeck, welches von meinem mitgenommenen Mundvorrat in meiner Jagdtasche noch übrig geblieben war. Dieses befestigte ich an eine ziemlich lange Hundeleine, die ich aufdrehte und so wenigstens noch um viermal verlängerte.
Nun verbarg ich mich im Schilfgesträuch am Ufer, warf meinen Speckbrocken aus und hatte das Vergnügen zu sehen, wie die nächste Ente hurtig herbeischwamm und ihn verschlang. Der ersten folgten bald alle übrigen nach, und da der glatte Brocken am Faden gar bald unverdaut hinten wieder herauskam, so verschlang ihn die nächste, und so immer weiter. Kurz der Brocken machte die Reise durch alle Enten samt und sonders hindurch, ohne von seinem Faden loszureißen. So saßen sie denn alle daran, wie Perlen an der Schnur. Ich zog sie gar allerliebst ans Land, schlang mir die Schnur ein halbes Dutzendmal um Schultern und Leib, und ging meines Weges nach Hause zu. Da ich noch eine ziemliche Strecke davon entfernt war, und mir die Last von einer solchen Menge Enten ziemlich beschwerlich fiel, so wollte es mir fast leidtun, ihrer allzu viele eingefangen zu haben. Da kam mir aber ein seltsamer Vorfall zu Statten, der mich Anfangs in nicht geringe Verlegenheit setzte.
Die Enten waren nämlich noch alle lebendig, fingen, als sie von der ersten Bestürzung sich erholt hatten, gar mächtig an mit den Flügeln zu schlagen und sich mit mir hoch in die Luft zu erheben. Nun wäre bei manchem wohl guter Rat teuer gewesen. Allein ich benutzte diesen Umstand, so gut ich konnte, zu meinem Vorteil, und ruderte mich mit meinen Rockschößen nach der Gegend meiner Behausung durch die Luft. Als ich nun gerade über meiner Wohnung angelangt war und es darauf ankam, ohne Schaden mich herunter zu lassen, so drückte ich einer Ente nach der Anderen den Kopf ein, sank dadurch ganz sanft und allmählich gerade durch den Schornstein meines Hauses mitten auf den Küchenherd, auf welchem zum Glück noch kein Feuer angezündet war, zu nicht geringem Schreck und Erstaunen meines Koches. – Wie gesagt, man muss sich nur in der Welt zu helfen wissen.
Ein andres Mal stieß mir in einem ansehnlichen Walde von Russland ein wunderschöner schwarzer Fuchs auf. Es wäre Jammer-Schade gewesen, seinen kostbaren Pelz mit einem Kugel- oder Schrotschuss zu durchlöchern. Herr Reineke stand dicht bei einem Baum. Augenblicklich zog ich meine Kugel aus dem Laufe, lud dafür einen tüchtigen Brettnagel in mein Gewehr, feuerte und traf so künstlich, dass ich seine Lunte fest an den Baum nagelte. Nun ging ich ruhig zu ihm hin, nahm mein Waidmesser, gab ihm einen Kreuzschnitt übers Gesicht, griff nach meiner Peitsche und karbatschte ihn so artig aus seinem schönen Pelze heraus, dass es eine wahre Lust und ein rechtes Wunder zu sehen war.
Zufall und gutes Glück machen oft manchen Fehler wieder gut. Davon erlebte ich bald nach diesem einen Beispiel, als ich mitten im tiefsten Walde einen wilden Frischling und eine Bach dicht hinter einander hertraben sah. Meine Kugel hatte gefehlt. Gleichwohl lief der Frischling vorn ganz allein weg, und die Bach blieb stehen, ohne Bewegung, als ob sie an den Boden festgenagelt gewesen wäre. Wie ich das Ding näher untersuchte, so fand ich, dass es eine alte blinde Bach war, die ihres Frischlings Schwänzlein im Rachen hielt, um von ihm aus kindlicher Pflicht fürbass geleitet zu werden. Da nun meine Kugel zwischen beiden hindurchgefahren war, so hatte sie diesen Leitzaum zerrissen, wovon die alte Bach das eine Ende noch immer kaute. Da nun ihr Leiter sie nicht weiter vorwärts gezogen hatte, so war sie stehen geblieben. Ich ergriff daher das übriggebliebene Endchen von des Frischlings Schwanze, und leitete daran das alte hilflose Tier ganz ohne Mühe und Widerstand nach Hause.
So fürchterlich diese wilden Bachen oft sind, so sind die Keiler doch weit grausamer und gefährlicher. Ich traf einst einen im Walde an, als ich unglücklicher Weise weder auf Angriff noch Verteidigung gefasst war. Mit genauer Not konnte ich noch hinter einen Baum schlüpfen, als die wütende Bestie aus Leibeskräften einen Seitenhieb nach mir tat. Dafür fuhren aber auch seine Hauer dergestalt in den Baum hinein, dass er weder imstande war, sie sogleich wieder heraus zu ziehen, noch den Hieb zu wiederholen. – „Ha ha! dachte ich, nun wollen wir dich bald kriegen!“ – Flugs nahm ich einen Stein, hämmerte noch vollends damit drauf los und nietete seine Hauer dergestalt um, dass er ganz und gar nicht wieder loskommen konnte. So musste er sich denn nun gedulden, bis ich vom nächsten Dorfe Karn und Stricke herbeigeholt hatte, um ihn lebendig und wohlbehalten nach Hause zu schaffen, welches auch ganz vortrefflich von Statten ging.
Sie haben unstreitig, meine Herren, von dem Heiligen und Schutzpatron der Waidmänner und Schützen, St. Hubert, nicht minder auch von dem stattlichen Hirsche gehört, der ihm einst im Walde aufstieß, und welcher das heilige Kreuz zwischen seinem Geweih trug. Diesem Sankt habe ich noch alle Jahre mein Opfer in guter Gesellschaft dargebracht, und den Hirsch wohl tausendmal, sowohl in Kirchen abgemalt, als auch in die Sterne seiner Ritter gestickt, gesehen, so dass ich auf Ehre und Gewissen eines braven Waidmanns kaum zu sagen weiß, ob es entweder nicht vor Zeiten solcher Kreuzhirsche gegeben habe, oder wohl gar noch heutiges Tages gebe. Doch lassen Sie sich vielmehr erzählen, was ich mit meinen eigenen Augen sah. Einst, als ich alle mein Blei verschossen hatte, stieß mir ganz wider mein Vermuten, der stattlichste Hirsch von der Welt auf. Er blickte mir so, mir nichts, dir nichts, ins Auge, als ob er’s auswendig gewusst hätte, dass mein Beutel leer war.
Augenblicklich lud ich indessen meine Flinte mit Pulver und darüber her eine ganze Hand voll Kirschsteine, wovon ich, so hurtig sich das tun ließ, das Fleisch abgesogen hatte. Und so gab ich ihm die volle Ladung mitten auf seine Stirn zwischen das Geweih. Der Schuss betäubte ihn zwar – er taumelte – machte sich aber doch aus dem Staube. Ein oder zwei Jahre darnach war ich in eben demselben Walde auf der Jagd. Und siehe! zum Vorschein kam ein stattlicher Hirsch, mit einem vollausgewachsenen Kirschbaume, mehr denn zehn Fuß hoch, zwischen seinem Geweih. Mir fiel gleich mein voriges Abenteuer wieder ein. Ich betrachtete den Hirsch als mein längst wohl erworbenes Eigentum, und legte ihn mit einem Schuss zu Boden, wodurch ich denn auf einmal an Braten und Kirschtunke zugleich geriet.
Denn der Baum hing reichlich voll Früchte, die ich in meinem ganzen Leben so delikat nicht gegessen hatte. Wer kann nun wohl sagen, ob nicht irgend ein passionierter heiliger Waidmann, ein jagdlustiger Abt oder Bischof, das Kreuz auf eine ähnliche Art durch einen Schuss auf St. Huberts Hirsch zwischen das Gehörne gepflanzt habe? Denn diese Herren waren ja von je und je wegen ihres Kreuz- und – Hörnerpflanzens berühmt, und sind es zum Teil noch bis auf den heutigen Tag. Im Falle der Not, und wenn es Aut oder Naut gilt, welches einem braven Waidmanne nicht selten begegnet, greift er lieber wer weiß wozu, und versucht eher alles, als dass er sich die günstige Gelegenheit entwischen lässt. Ich habe mich manches liebes Mal selbst in einer solchen Lage der Versuchung befunden.
Was sagen Sie zum Exempel von folgenden Casus? – Mir waren einmal Tageslicht und Pulver in einem polnischen Walde ausgegangen. Als ich nach Hause ging, fuhr mir ein ganz entsetzlicher Bär, mit offenem Rachen, bereit mich zu verschlingen, auf den Leib. Umsonst durchsuchte ich in der Hast alle meine Taschen nach Pulver und Blei. Nichts fand ich, als zwei Flintensteine, die man auf einen Notfall wohl mitzunehmen pflegt. Davon warf ich einen aus aller Macht in den offenen Rachen des Ungeheuers, ganz seinen Schlund hinab. Wie ihm nun das nicht allzu wohl deuchten mochte, so machte mein Bär links um, so dass ich den anderen nach der Hinterpforte schleudern konnte.
Wunderbar und herrlich ging alles von Statten. Der Stein fuhr nicht nur hinein, sondern auch mit dem anderen Steine im Magen dergestalt zusammen, dass es Feuer gab und den Bär mit einem gewaltigen Knalle auseinander sprengte. Man sagt, dass so ein wohl applizierter Stein a posteriori, besonders wenn er mit einem a priori recht zusammen fuhr, schon manchen bärbeißigen Gelehrten und Philosophen in die Luft sprengte. – Ob ich nun gleich das mal mit heiler Haut davon kam, so möchte ich das Stückchen doch eben nicht noch einmal machen, oder mit einem Bär, ohne andere Verteidigungsmittel, anbinden.
Es war aber gewissermaßen recht mein Schicksal, dass die wildesten und gefährlichsten Bestien mich gerade alsdann angriffen, wenn ich außer Stande war, ihnen die Spitze zu bieten, gleichsam als ob ihnen der Instinkt meine Wehrlosigkeit verraten hätte. So schoss mir einmal unversehens ein fürchterlicher Wolf so nahe auf den Leib, dass mir nichts weiter übrig blieb, als ihm, dem mechanischen Instinkt zufolge, meine Faust in den offenen Rachen zu stoßen. Gerade meiner Sicherheit wegen stieß ich immer weiter und weiter und brachte meinen Arm beinahe bis an die Schulter hinein.
Was war aber nun zu tun? – Ich kann eben nicht sagen, dass mir diese unbehilfliche Situation sonderlich anstand. – Man denke nur, Stirn gegen Stirn mit einem Wolfe! – Wir äugelten uns eben nicht gar lieblich an. Hätte ich meinen Arm zurückgezogen, so wäre mir die Bestie nur desto wütender zu Leibe gesprungen. So viel ließ sich klar und deutlich aus seinen flammenden Augen herausbuchstabiren. Kurz, ich packte ihn beim Eingeweide, kehrte sein Äußeres zu innerst, wie einen Handschuh, um, schleuderte ihn zu Boden und ließ ihn da liegen.
Dies Stückchen hätte ich nun wieder nicht an einem tollen Hunde versuchen mögen, welcher bald darauf in einem engen Gässchen zu St. Petersburg gegen mich anlief. „Lauf was du kannst!“ dachte ich. Um desto besser fortzukommen, warf ich meinen Überrock ab, und rettete mich geschwind ins Haus. Den Rock ließ ich hernach durch meinen Bedienten hereinhohlen und zu den anderen Kleidern in die Garderobe hängen. Tages darauf geriet ich in ein gewaltiges Schrecken durch meines Johanns Geschrei: „Herr Gott, Herr Baron, ihr Überrock ist toll!“ Ich sprang hurtig zu ihm hinauf und fand fast alle meine Kleider umher gezerrt und zu Stücken zerrissen. Der Kerl hatte es auf ein Haar getroffen, dass der Überrock toll sei. Ich kam gerade noch selbst dazu, wie er über ein schönes neues Ballkleid herfiel und es auf eine gar unbarmherzige Weise zerschüttelte und umherzauste.
In allen diesen Fällen, meine Herren, wo ich freilich immer glücklich, aber doch nur immer mit genauer Not davon kam, half mir das Ungefähr, welches ich durch Tapferkeit und Gegenwart des Geistes zu meinem Vorteile lenkte. Alles zusammen genommen macht, wie Jedermann weiß, den glücklichen Jäger, Seemann und Soldaten aus. Der aber würde ein sehr unvorsichtiger, tadelnswerter Waidmann, Admiral und General sein, der sich überall nur auf das Ungefähr, oder sein Gestirn verlassen wollte, ohne sich weder um die besonders erforderlichen Kunstfertigkeiten zu bekümmern, noch sich mit denjenigen Werkzeugen zu versehen, die den guten Erfolg sichern.
Ein solcher Tadel trifft mich keineswegs. Denn ich bin immer berühmt gewesen, sowohl wegen der Vortrefflichkeit meiner Pferde, Hunde und Gewehre, als auch wegen der besonderen Art, das alles zu handhaben, so dass ich mich wohl rühmen kann, in Forst, Wiese und Feld meines Namens Gedächtnis hinlänglich gestiftet zu haben. Ich will mich nun zwar nicht auf Partikularitäten von meinen Pferd- und Hundeställen, oder meiner Gewehrkammer einlassen, wie Stall- Jagd- und Hunde-Junker sonst wohl zu tun pflegen; aber eines meiner Lieblingshunde muss ich doch noch Erwähnung tun. Das Tierchen war ein Windspiel.
Mein Leben lang hatte, oder sah ich kein besseres. Es wurde alt in meinem Dienste, und war minder wegen seiner Gestalt, als wegen seiner außerordentlichen Schnelligkeit merkwürdig. Mit diesem Hunde jagte ich beständig Jahr aus Jahr ein. Hätten die Herren ihn gesehen, so würden sie ihn gewiss bewundert, und sich gar nicht verwundert haben, dass ich ihn so lieb hatte und so oft mit ihm jagte. Er lief so schnell, so oft und so lange in meinem Dienste, dass er sich die Beine ganz bis dicht unterm Leibe weglief, und ich ihn in seiner letzten Lebenszeit nur noch als Dachssucher gebrauchen konnte, in welcher Qualität er mir denn ebenfalls noch manch liebes Jahr diente.
Weiland noch als Windspiel – beiläufig zu melden, es war eine Hündin – setzte sie einst hinter einem Hasen her, der mir ganz ungewöhnlich dick vorkam. Es tat mir Leid um meine arme Hündin. Denn sie war mit Jungen trächtig, und wollte doch noch ebenso schnell laufen, als sonst. Nur in sehr weiter Entfernung konnte ich zu Pferde nachfolgen. Auf einmal hörte ich ein Gekläffe, wie von einer ganzen Kuppel Hunde, allein so schwach und zart, dass ich nicht wusste, was ich daraus machen sollte. Wie ich näher kam, sah ich mein himmelblaues Wunder. Die Häsin hatte im Laufen gesetzt, und meine Hündin geworfen. Und zwar jene gerade eben so viel junge Hasen, als diese junge Hunde. Instinktmäßig hatten jene die Flucht genommen, diese aber nicht nur gejagt, sondern auch gefangen. Dadurch gelangte ich am Ende der Jagd auf einmal zu sechs Hasen und Hunden, da ich doch nur mit einem einzigen angefangen hatte.
Ich gedenke dieser wunderbaren Hündin mit eben dem Vergnügen, als eines vortrefflichen Litauischen Pferdes, welches nicht mit Gelde zu bezahlen war. Dies bekam ich durch ein Ungefähr, welches mir Gelegenheit gab, meine Reitkunst zu meinem nicht geringen Ruhme zu zeigen. Ich war nämlich einst auf dem prächtigen Landsitze des Grafen Przobofsky in Litauen und blieb im Staatszimmer bei den Damen zum Tee, indessen die Herrn hinunter in den Hof gingen, um ein junges Pferd von Geblüte zu besehen, welches so eben aus der Stuterei angelangt war. Plötzlich hörten wir wie einen Notschrei. – Ich eilte die Treppe hinab und fand das Pferd so wild und unbändig, dass Niemand sich getraute, sich ihm zu nähern, oder es zu besteigen.
Bestürzt und verwirrt standen die entschlossensten Reiter da; Angst und Besorgnis schwebte auf allen Gesichtern, als ich mit einem einzigen Sprung auf seinem Rücken saß, und das Pferd durch diese Überraschung nicht nur in Schrecken setzte, sondern es auch durch Anwendung meiner besten Reiterkünste gänzlich zu Ruhe und Gehorsam brachte. Um dies den Damen noch besser zu zeigen und ihnen alle unnötige Besorgnis zu ersparen, so zwang ich den Gaul, durch eins der offenen Fenster des Teezimmers mit mir hineinzusetzen.
Hier ritt ich nun verschiedene Male, bald Schritt, bald Trott, bald Galopp herum, setzte endlich sogar auf den Teetisch und machte da im Kleinen überaus artig die ganze Schule durch, worüber sich denn die Damen ganz ausnehmend ergötzten. Mein Rösschen machte alles so bewundernswürdig geschickt, dass es weder Kannen noch Tassen zerbrach. Dies setzte mich bei den Damen und dem Herrn Grafen so hoch in Gunst, dass er mit seiner gewöhnlichen Höflichkeit mich bat, das junge Pferd zum Geschenke von ihm anzunehmen, und auf selbigem in dem Feldzuge gegen die Türken, welcher in kurzem unter Anführung des Grafen Münnich eröffnet werden sollte, auf Sieg und Eroberung auszureiten.
Ein angenehmeres Geschenk hätte mir nun wohl nicht leicht gemacht werden können, besonders da es mir so viel gutes von einem Feldzuge weissagte, in welchem ich mein erstes Probestück als Soldat ablegen wollte. Ein Pferd, so gefügig, so mutvoll und feurig – Lamm und Bucephal zugleich – musste mich allezeit an die Pflichten eines braven Soldaten, und an die erstaunlichen Taten erinnern, welche der junge Alexander im Felde verrichtet hatte.
Wir zogen, wie es scheinet, unter anderen auch in der Absicht zu Felde, um die Ehre der russischen Waffen, welche in dem Feldzuge unter Czaar Peteram Pruthein wenig gelitten hatte, wieder herzustellen. Dieses gelang uns auch vollkommen durch verschiedene zwar mühselige, aber doch rühmliche Feldzüge, unter Anführung des großen Feldherrn, dessen ich vorhin erwähnte. Die Bescheidenheit verbietet es Subalternen, sich große Taten und Siege zuzuschreiben, wovon der Ruhm gemeiniglich den Anführern, ihrer Alltagsqualitäten ungeachtet, ja wohl gar verkehrt genug Königen und Königinnen in Rechnung gebracht wird, welche niemals anderes als Musterungs-Pulver rochen, nie außer ihren Lustlagern ein Schlachtfeld, noch außer ihren Wachtparaden ein Heer in Schachtordnung erblickten.
Ich mache also keinen besonderen Anspruch an die Ehre von unsern größeren Affären mit dem Feinde. Wir taten insgesamt unsere Schuldigkeit, welches in der Sprache des Patrioten, des Soldaten, und kurz des braven Mannes ein sehr viel umfassender Ausdruck, ein Ausdruck von sehr wichtigem Inhalt und Belang ist, obgleich der große Haufen müßiger Kannengießer sich nur einen sehr geringen und ärmlichen Begriff davon machen mag. Da ich indessen ein Corps Husaren unter meinem Kommando hatte, so ging ich auf verschiedene Expeditionen aus, wo das Verhalten meiner eigenen Klugheit und Tapferkeit überlassen war. Den Erfolg hiervon, denke ich denn doch, kann ich mit gutem Fug auf meine eigene und die Rechnung derjenigen braven Gefährten schreiben, die ich zu Sieg und Eroberung führte.
Einst, als wir die Türken in Oczakow hineintrieben, ging‘s bei der Avantgarde sehr heiß her. Mein feuriger Litauer hätte mich beinahe in des Teufels Küche gebracht. Ich hatte einen ziemlich entfernten Vorposten und sah den Feind in einer Wolke von Staub gegen mich anrücken, wodurch ich wegen seiner wahren Anzahl und Absicht gänzlich in Ungewissheit blieb. Mich in eine ähnliche Wolke von Staub einzuhüllen wäre freilich wohl ein Alltagspfiff gewesen, würde mich aber eben so wenig klüger gemacht, als überhaupt der Absicht näher gebracht haben, warum ich vorausgeschickt war. Ich ließ daher meine Flanqueurs zur linken und rechten auf beiden Flügeln sich zerstreuen, und so viel Staub erregen, als sie nur immer konnten. Ich selbst aber ging gerade auf den Feind los, um ihn näher in Augenschein zu nehmen. Dies gelang mir. Denn er stand und focht nur so lange, bis die Furcht vor meinen Flanqueurs ihn in Unordnung zurücktrieb. Nun war‘s Zeit, tapfer über ihn herzufallen. Wir zerstreuten ihn völlig, richteten eine gewaltige Niederlage an, und trieben ihn nicht allein in seine Festung zu Loche, sondern auch durch und durch, ganz über und wider unsere blutgierigsten Erwartungen.
Weil nun mein Litauer so außerordentlich geschwind war, so war ich der Vorderste beim Nachsetzen, und da ich sah, dass der Feind so hübsch zum gegenseitigen Tore wieder hinausfloh, so hielt ich’s für ratsam, auf dem Marktplatz anzuhalten, und da zum Rendezvous blasen zu lassen. Ich hielt an, aber stellt euch, ihr Herren, mein Erstaunen vor, als ich weder Trompeter, noch irgendeine lebendige Seele von meinen Husaren um mich sah. – „Sprengen sie etwa durch andere Straßen? Oder was ist aus ihnen geworden?“ – dachte ich. Indessen konnten sie meiner Meinung nach unmöglich fern sein und mussten mich bald einholen. In dieser Erwartung ritt ich meinen atemlosen Litauer zu einem Brunnen auf dem Marktplatz und ließ ihn trinken. Er soff ganz unmäßig und mit einem Heißdurste, der gar nicht zu löschen war. Allein das ging ganz natürlich zu. Denn als ich mich nach meinen Leuten umsah, was meint Ihr wohl, Ihr Herren, was ich da erblickte? – Der ganze Hinterteil des armen Tieres, Kreuz und Lenden waren fort, und wie rein abgeschnitten. So lief denn hinten das Wasser ebenso wieder heraus, als es von vorn hineingekommen war, ohne dass es dem Gaul zugute kam, oder ihn erfrischte.
Wie das zugegangen sein mochte, blieb mir ein völliges Rätsel, bis ich zum Stadttore zurückritt. Da sah ich nun, dass man, als ich pêle mêlemit dem fliehenden Feinde hereingedrungen war, das Schutzgatter, ohne dass ich’s wahrgenommen, fallen gelassen hatte, wodurch denn der Hinterteil, der noch zuckend an der Außenseite des Tores lag, rein abgeschlagen war. Der Verlust würde unersetzlich gewesen sein, wenn nicht unser Curschmid ein Mittel ausgesonnen hätte, beide Teile, so lange sie noch warm waren, wieder zusammen zu setzen. Er heftete sie nämlich mit jungen Lorbeer-Sprösslingen, die gerade bei der Hand waren, zusammen. Die Wunde heilte zu. Und es begab sich etwas, das nur einem so ruhmvollen Pferde begegnen konnte. Nämlich, die Sprossen schlugen Wurzel in seinem Leibe, wuchsen empor und wölbten eine Laube über mir, so dass ich hernach manchen ehrlichen Ritt im Schatten meiner sowohl als meines Rosses Lorbeeren tun konnte.
Einer anderen kleinen Ungelegenheit von dieser Affäre will ich nur beiläufig erwähnen. Ich hatte so heftig, so lange, so unermüdet auf den Feind losgehauen, dass mein Arm dadurch endlich in eine unwillkürliche Bewegung des Hauens geraten war, welcher ich nicht mehr steuern konnte, als der Feind schon längst über alle Berge war. Um mich nun nicht selbst, oder meine Leute, die mir zu nahe kamen, für nichts und wider nichts zu prügeln, und zu Ruhe und Schlaf zu gelangen, sah ich mich genötigt, meinen Arm in die acht Tage lang ebenso gut in der Binde zu tragen, als ob er mir halb abgehauen gewesen wäre.
Einem Manne, meine Herren, der einen Gaul, wie mein Litauer war, zu reiten vermochte, können Sie auch wohl noch ein anderes Voltigir- und Reiterstückchen zutrauen, welches außerdem vielleicht ein wenig fabelhaft klingen möchte. Wir belagerten nämlich, ich weiß nicht mehr welche Stadt, und dem Feldmarschall war ganz erstaunlich viel an genauer Kundschaft gelegen, wie die Sachen in der Festung stünden. Es schien äußerst schwer, ja fast unmöglich, durch alle Vorposten, Wachen und Festungswerke hinein zu gelangen, auch war eben kein tüchtiges Subjekt vorhanden, wodurch man so was glücklich auszurichten hätte hoffen können.
Vor Mut und Diensteifer fast ein wenig allzu rasch, stellte ich mich neben eine der größten Kanonen, die soeben nach der Festung abgefeuert ward, und sprang im Hui auf die Kugel, in der Absicht, mich in die Festung hineintragen zu lassen. Als ich aber halbwegs durch die Luft geritten war, stiegen mir allerlei nicht unerhebliche Bedenklichkeiten zu Kopfe. „Hum, dachte ich, hinein kommst du nun wohl, allein wie hernach sogleich wieder heraus? Und wie kann’s dir in der Festung ergehen? Man wird dich sogleich als einen Spion erkennen und an den nächsten Galgen hängen. Ein solches Bette der Ehren wollte ich mir denn doch wohl verbitten.“ Nach diesen und ähnlichen Betrachtungen entschloss ich mich kurz, nahm die glückliche Gelegenheit wahr, als eine Kanonenkugel aus der Festung einige Schritte weit vor mir vorüber nach unserm Lager flog, sprang von der meinigen auf diese hinüber, und kam, zwar unverrichteter Sache, jedoch wohlbehalten bei den lieben Unsrigen wieder an.
So leicht und fertig ich im Springen war, so war es auch mein Pferd. Weder Graben noch Zäune hielten mich jemals ab, überall den geradesten Weg zu reiten. Einst setzte ich darauf hinter einem Hasen her, der querfeldein über die Heerstraße lief. Eine Kutsche mit zwei schönen Damen fuhr diesen Weg gerade zwischen mir und dem Hasen vorbei. Mein Gaul setzte so schnell und ohne Anstoß mitten durch die Kutsche hindurch, wovon die Fenster aufgezogen waren, dass ich kaum Zeit hatte, meinen Huth abzuziehen, und die Damen wegen dieser Freiheit untertänigst um Verzeihung zu bitten.
Ein andres Mal wollte ich über einen Morast setzen, der mir anfänglich nicht so breit vorkam, als ich ihn fand, da ich mitten im Sprunge war. Schwebend in der Luft wendete ich daher wieder um, wo ich hergekommen war, um einen größeren Anlauf zu nehmen. Gleichwohl sprang ich auch zum zweiten Male noch zu kurz, und fiel nicht weit vom anderen Ufer bis an den Hals in den Morast. Hier hätte ich unfehlbar umkommen müssen, wenn nicht die Stärke meines eigenen Armes mich an meinem eigenen Haarzopfe, samt dem Pferde, welches ich fest zwischen meine Knie schloss, wieder herausgezogen hätte.
Trotz aller meiner Tapferkeit und Klugheit, trotz meiner und meines Pferdes Schnelligkeit, Gewandtheit und Stärke, ging‘s mir in dem Türkenkriege doch nicht immer nach Wunsche. Ich hatte sogar das Unglück, durch die Menge übermannt und zum Kriegsgefangenen gemacht zu werden. Ja, was noch schlimmer war, aber doch immer unter den Türken gewöhnlich ist, ich wurde zum Slaven verkauft. In diesem Stande der Demütigung war mein Tagewerk nicht sowohl hart und sauer, als vielmehr seltsam und verdrießlich. Ich musste nämlich des Sultans Bienen alle Morgen auf die Weide treiben, sie daselbst den ganzen Tag lang hüten, und dann gegen Abend wieder zurück in ihre Stöcke treiben.
Eines Abends vermisste ich eine Biene, wurde aber sogleich gewahr, dass zwei Bären sie angefallen hatten, und ihres Honigs wegen in Stücke zerreißen wollten. Da ich nun nichts anderes waffenähnliches in Händen hatte, als die silberne Axt, welche das Kennzeichen der Gärtner und Landarbeiter des Sultans ist, so warf ich diese nach den beiden Räubern, bloß in der Absicht, sie damit wegzuscheuchen. Die arme Biene setzte ich auch wirklich dadurch in Freiheit. Allein durch einen unglücklichen allzu starken Schwung meines Armes flog die Axt in die Höhe, und hörte nicht auf zu fliegen, bis sie im Monde nieder fiel. Wie sollte ich sie nun wieder kriegen?
Mit welcher Leiter auf Erden sie herunterholen? Da fiel mir ein, dass die türkischen Bohnen sehr geschwind und zu einer ganz erstaunlichen Höhe empor wüchsen. Augenblicklich pflanzte ich also eine solche Bohne, welche wirklich empor wuchs, und sich an eines von des Mondes Hörnern von selbst anrankte. Nun kletterte ich getrost nach dem Monde empor, wo ich auch glücklich anlangte. Es war ein ziemlich mühseliges Stückchen Arbeit, meine silberne Axt an einem Orte wieder zu finden, wo alle andere Dinge gleichfalls wie Silber glänzten. Endlich aber fand ich sie doch auf einem Haufen von Spreu und Häckerling.
Nun wollte ich wieder zurückkehren, aber ach! die Sonnenhitze hatte indessen meine Bohne aufgetrocknet, so dass daran schlechterdings nicht wieder herabzusteigen war. Was war nun zu tun? – Ich flocht mir einen Strick von dem Häckerlinge, so lang ich ihn nur immer machen konnte. Diesen befestigte ich an eines von des Mondes Hörnern und ließ mich daran herunter. Mit der linken Hand hielt ich mich fest und in der rechten führte ich meine Axt. Sowie ich nun eine Strecke hinunter geglitten war, so hieb ich immer das überflüssige Stück über mir ab, und knüpfte dasselbe unten wieder an, wodurch ich denn ziemlich weit herunter gelangte.
Dieses wiederholte Abhauen und Anknüpfen machte nun freilich den Strick eben so wenig besser, als es mich völlig herab auf des Sultans Landgut brachte. Ich mochte wohl noch ein paar Meilen weit droben in den Wolken sein, als mein Strick auf einmal zerriss und ich mit solcher Heftigkeit herab zu Gottes Erdboden fiel, dass ich ganz betäubt davon wurde. Durch die Schwere meines von einer solchen Höhe herabfallenden Körpers fiel ich ein Loch, wenigstens neun Klafter tief, in die Erde hinein. Ich erholte mich zwar endlich wieder, wusste aber nun nicht, wie ich wieder herauskommen sollte. Allein was tut nicht die Not? Ich grub mir mit meinen Nägeln, deren Wuchs damals vierzigjährig war, eine Art von Treppe, und förderte mich dadurch glücklich zu Tage.
Durch diese mühselige Erfahrung klüger gemacht, fing ich’s nachher besser an, der Bären, die so gern nach meinen Bienen und den Honigstöcken stiegen, los zu werden. Ich bestrich die Deichsel eines Ackerwagens mit Honig und legte mich nicht weit davon des Nachts in einen Hinterhalt. Was ich vermutete, das geschah. Ein ungeheurer Bär, herbeigelockt durch den Duft des Honigs, kam an und fing vorn an der Spitze der Stange so begierig an zu lecken, dass er sich die ganze Stange durch Schlund, Magen und Bauch bis hinten wieder hinausleckte. Als er sich nun so artig auf die Stange hinauf geleckt hatte, lief ich hinzu, steckte vorn durch das Loch der Deichsel einen langen Pflock, verwehrte dadurch dem Nascher den Rückzug, und ließ ihn sitzen bis an den anderen Morgen. Über dies Stückchen wollte sich der Großsultan, der von ungefähr vorbei spazierte, fast totlachen.
Nicht lange hierauf machten die Russen mit den Türken Frieden und ich wurde nebst anderen Kriegsgefangenen wieder nach St. Petersburg ausgeliefert. Ich nahm aber nun meinen Abschied und verließ Russland um die Zeit der großen Revolution vor etwa vierzig Jahren, da der Kaiser in der Wiege, nebst seiner Mutter und ihrem Vater, dem Herzoge von Braunschweig, dem Feldmarschall von Münnich und vielen anderen nach Sibirien geschickt wurden. Es herrschte damals über ganz Europa ein so außerordentlich strenger Winter, dass die Sonne eine Art von Frostschaden erlitten haben muss, woran sie seit der ganzen Zeit her bis auf den heutigen Tag gesiecht hat. Ich empfand daher auf der Rückreise in mein Vaterland weit größeres Ungemach, als ich auf meiner Hinreise nach Russland erfahren hatte.
Ich musste, weil mein Litauer in der Türkei geblieben war, mit der Post reisen. Als sich‘s nun fügte, dass wir an einen engen hohlen Weg zwischen hohen Dornhecken kamen, so erinnerte ich den Postillion, mit seinem Horne ein Zeichen zu geben, damit wir uns in diesem engen Passe nicht etwa gegen ein anderes entgegenkommendes Fuhrwerk festfahren möchten. Mein Kerl setzte an und blies aus Leibeskräften in das Horn, aber alle seine Bemühungen waren umsonst. Nicht ein einziger Ton kam heraus, welches uns ganz unerklärlich, ja in der Tat für ein rechtes Unglück zu achten war, indem bald eine andere uns entgegen kommende Kutsche auf uns stieß, vor welcher nun schlechterdings nicht vorbei zu kommen war.
Nichts desto weniger sprang ich aus meinem Wagen und spannte zu förderst die Pferde aus. Hierauf nahm ich den Wagen, nebst den vier Rädern und allen Packereien auf meine Schultern, und sprang damit über Ufer und Hecke, ungefähr neun Fuß hoch, welches in Rücksicht auf die Schwere der Kutsche eben keine Kleinigkeit war, auf das Feld hinüber. Durch einen anderen Rücksprung gelangte ich, die fremde Kutsche vorüber, wieder in den Weg. Darauf eilte ich zurück zu unsern Pferden, nahm unter jeden Arm eins, und holte sie auf die vorige Art, nämlich durch einen zweimaligen Sprung hinüber und herüber, gleichfalls herbei, ließ wieder anspannen und gelangte glücklich am Ende der Station zur Herberge.
Noch hätte ich anführen sollen, dass eins von den Pferden, welches sehr mutig und nicht über vier Jahre alt war, ziemlichen Unfug machen wollte. Denn als ich meinen zweiten Sprung über die Hecke tat, so verriet es durch sein Schnauben und Trampeln ein großes Missbehagen an dieser heftigen Bewegung. Dies verwehrte ich ihm aber gar bald, indem ich seine Hinterbeine in meine Rocktasche steckte. In der Herberge erholten wir uns wieder von unserm Abenteuer. Der Postillion hängte sein Horn an einen Nagel beim Küchenfeuer, und ich setzte mich ihm gegen über.
Nun hört, ihr Herren, was geschah! Auf einmal ging‘s: Tereng! Tereng! teng! teng! Wir machten große Augen und fanden nun auf einmal die Ursache aus, warum der Postillion sein Horn nicht hatte blasen können. Die Töne waren in dem Horne festgefroren und kamen nun, so wie sie nach und nach auftauten, hell und klar, zu nicht geringer Ehre des Fuhrmanns heraus. Denn die ehrliche Haut unterhielt uns nun eine ziemliche Zeit lang mit der herrlichsten Modulation, ohne den Mund an das Horn zu bringen. Da hörten wir den preußischen Marsch – Ohne Lieb’ und ohne Wein – Als ich auf meiner Bleiche – Gestern Abend war Vetter Michel da – nebst noch vielen anderen Stückchen, auch sogar das Abendlied: Nun ruhen alle Wälder – Mit diesem letzten endigte sich denn dieser Tauspaß, so wie ich hiermit meine Russische Reise-Geschichte.
Manche Reisende sind bisweilen im Stande, mehr zu behaupten, als genau genommen wahr sein mag. Daher ist es denn kein Wunder, wenn Leser oder Zuhörer ein wenig zum Unglauben geneigt werden. Sollten indessen einige von der Gesellschaft an meiner Wahrhaftigkeit zweifeln, so muss ich sie wegen ihrer Ungläubigkeit herzlich bemitleiden und sie bitten, sich lieber zu entfernen, ehe ich meine Schiffs-Abenteuer beginne, die zwar fast noch wunderbarer, aber doch eben so authentisch sind.
See-Abenteuer
Im Jahr schiffte ich mich zu Portsmouthauf einem englischen Kriegsschiff erster Ordnung, mit hundert Kanonen und vierzehnhundert Mann, nach Nord-Amerika ein. Ich könnte hier zwar erst noch allerlei, was mir in England begegnet ist, erzählen. Ich verspare es aber auf ein anderes Mal. Eins jedoch, welches mir überaus artig vorkam, will ich nur noch im Vorbeigehen mitnehmen. Ich hatte das Vergnügen den König mit großem Pompe in seinem Staatswagen nach dem Parlament fahren zu sehen. Ein Kutscher mit einem ungemein respektablen Barte, worein das englische Wappen sehr sauber geschnitten war, saß gravitätisch auf dem Bocke und klatschte mit seiner Peitsche ein ebenso deutliches als künstliches: Georg Rex.
Anlangend unsere Seereise, so begegnete uns nichts merkwürdiges, bis wir ungefähr noch dreihundert Meilen von dem St. Lorenz Fluss entfernt waren. Hier stieß das Schiff mit erstaunlicher Gewalt gegen etwas an, das uns wie ein Fels vorkam. Gleichwohl konnten wir, als wir das Senkblei auswarfen, mit fünfhundert Klaftern noch keinen Grund finden. Was diesen Vorfall noch wunderbarer und beinahe unbegreiflich machte, war, dass wir unser Steuerruder verloren, das Bugspriet mitten entzweibrachen und alle unsere Masten von oben bis unten aus zersplitterten, wovon auch zwei über Bord stoben.
Ein armer Teufel, welcher gerade oben das Hauptsegel beilegte, flog wenigstens drei Meilen weit vom Schiffe weg, ehe er zu Wasser fiel. Allein er rettete noch dadurch glücklich sein Leben, dass er, während er in der Luft flog, den Schwanz einer Rotgans ergriff, welches nicht nur seinen Sturz in das Wasser milderte, sondern ihm auch Gelegenheit gab, auf ihrem Rücken, oder vielmehr zwischen Hals und Fittigen, so lange nach zu schwimmen, bis er endlich wieder an Bord genommen werden konnte. Ein anderer Beweis von der Gewalt des Stoßes war dieser, dass alles Volk zwischen den Verdecken empor gegen die Kopfdecke geschnellt ward. Mein Kopf ward dadurch ganz in den Magen hinabgepufft, und es dauerte wohl einige Monate, ehe er seine natürliche Stellung wieder bekam.
Noch befanden wir uns insgesamt in einem Zustande des Erstaunens und einer allgemeinen unbeschreiblichen Verwirrung, als sich auf einmal alles durch Erscheinung eines großen Wallfisches aufklärte, welcher an der Oberfläche des Wassers, sich sömmernd, eingeschlafen war. Dies Ungeheuer war so übel damit zufrieden, dass wir es mit unserm Schiffe gestört hatten, dass es nicht nur mit seinem Schwanze die Galerie und einen Teil des Oberlofs einschlug, sondern auch zu gleicher Zeit den Hauptanker, welcher, wie gewöhnlich, am Steuer aufgewunden war, zwischen seine Zähne packte, und wenigstens sechzig Meilen weit, sechs Meilen auf eine Stunde gerechnet, mit unserm Schiffe davon eilte. Gott weiß, wohin wir gezogen sein würden, wenn nicht noch glücklicher Weise das Ankertau zerrissen wäre, wodurch der Wallfisch unser Schiff, wir aber auch zugleich unsern Anker verloren.
Als wir aber sechs Monate hierauf wieder nach Europa zurücksegelten, so fanden wir eben denselben Wallfisch, in einer Entfernung weniger Meilen von eben der Stelle, tot auf dem Wasser schwimmen, und er maß ungelogen der Länge nach wenigstens eine halbe Meile. Da wir nun von einem so ungeheuren Tiere nur wenig an Bord nehmen konnten, so setzten wir unsre Boote aus, schnitten ihm mit großer Mühe den Kopf ab, und fanden zu unserer großen Freude nicht nur unsern Anker, sondern auch über vierzig Klafter Tau, welches auf der linken Seite seines Rachens in einem hohlen Zahne steckte. Dies war der einzige besondere Umstand, der sich auf dieser Reise zutrug.
Doch halt! Eine Fatalität hätte ich beinahe vergessen. Als nämlich das erste Mal der Walfisch mit dem Schiffe davon schwamm, so bekam das Schiff einen Leck und das Wasser drang so heftig herein, dass alle unsere Pumpen uns keine halbe Stunde vor dem Sinken hätten bewahren können. Zum guten Glücke entdeckte ich das Unheil zuerst. Es war ein großes Loch, ungefähr einen Fuß im Durchmesser. Auf allerlei Weise versuchte ich es, das Loch zu verstopfen, allein umsonst. Endlich rettete ich dies schöne Schiff und alle seine zahlreiche Mannschaft durch den glücklichsten Einfall von der Welt.
Ob das Loch gleich so groß war, so füllte ich’s dennoch mit meinem Liebwertesten aus, ohne meine Beinkleider abzuziehen. Und ich würde ausgelangt haben, wenn auch die Öffnung noch viel größer gewesen wäre. Sie werden sich darüber nicht wundern meine Herren, wenn ich Ihnen sage, dass ich auf beiden Seiten von holländischen, wenigstens westfälischen Vorfahren abstamme. Meine Situation, so lange ich auf der Brille saß, war zwar ein wenig kühl, indessen ward ich doch bald durch die Kunst des Zimmermannes erlöst.
Zweites See-Abenteuer
Einst war ich in großer Gefahr im mittelländischen Meere umzukommen. Ich badete mich nämlich an einem Sommernachmittag, unweit Marseille, in der angenehmen See, als ich einen großen Fisch, mit weit aufgesperrtem Rachen, in der größten Geschwindigkeit auf mich daher schießen sah. Zeit war hier schlechterdings nicht zu verlieren, auch war es durchaus unmöglich, ihm zu entkommen. Unverzüglich drückte ich mich so klein zusammen, als möglich, indem ich meine Füße heraufzog und die Arme dicht an den Leib schloss. In dieser Stellung schlüpfte ich denn gerade zwischen seinen Kiefern hindurch, bis in den Magen hinab.
Hier brachte ich, wie man leicht denken kann, einige Zeit in gänzlicher Finsternis, aber doch in einer nicht unbehaglichen Wärme zu. Da ich ihm nach und nach Magendrücken verursachen mochte, so wäre er mich wohl gern wieder los gewesen. Weil es mir gar nicht an Raume fehlte, so spielte ich ihm durch Tritt und Schritt, durch Hopp und He, gar manchen Possen. Nichts schien ihn aber mehr zu beunruhigen, als die schnelle Bewegung meiner Füße, da ich’s versuchte, einen schottischen Triller zu tanzen.
Ganz entsetzlich schrie er auf und erhob sich fast senkrecht mit seinem halben Leibe aus dem Wasser. Hierdurch ward er aber von dem Volke eines vorbeisegelnden italienischen Kauffahrtei-Schiffes entdeckt, und in wenigen Minuten mit Harpunen erlegt. Sobald er an Bord gebracht war, hörte ich das Volk sich beratschlagen, wie sie ihn aufschneiden wollten, um die größte Quantität Öl von ihm zu gewinnen. Da ich nun Italienisch verstand, so geriet ich in die schrecklichste Angst, dass ihre Messer auch mich par Compagnie mit aufschneiden möchten. Daher stellte ich mich so viel möglich in die Mitte des Magens, worin für mehr als ein Dutzend Mann hinlänglich Platz war, weil ich mir wohl einbilden konnte, dass sie mit den Extremitäten den Anfang machen würden.
Meine Furcht verschwand indessen bald, da sie mit Eröffnung des Unterleibes anfingen. Sobald ich nun nur ein wenig Licht schimmern sah, schrie ich ihnen aus voller Lunge entgegen, wie angenehm es mir wäre, die Herren zu sehen, und durch sie aus einer Lage erlöst zu werden, in welcher ich beinahe erstickt wäre. Unmöglich lässt sich das Erstaunen auf allen Gesichtern lebhaft genug schildern, als sie eine Menschenstimme aus einem Fische heraus vernahmen. Dies wuchs natürlicher Weise noch mehr, als sie lang und breit einen nackenden Menschen herausspazieren sahn. Kurz, meine Herren, ich erzählte ihnen die ganze Begebenheit, so wie ich sie Ihnen jetzt erzählt habe, worüber sie sich denn alle fast zu Tode verwundern wollten.
Nachdem ich einige Erfrischungen zu mir genommen hatte und in die See gesprungen war, um mich abzuspülen, schwamm ich nach meinen Kleidern, welche ich auch am Ufer ebenso wiederfand, als ich sie gelassen hatte. So viel ich rechnen konnte, war ich ungefähr dritte halb Stunden in dem Magen dieser Bestie eingekerkert gewesen.
Drittes See-Abenteuer
Als ich noch in türkischen Diensten war, belustigte ich mich öfters in einer Lust-Barke auf dem Mare di Marmor, von wo aus man die herrlichste Aussicht auf ganz Konstantinopel, das Seragliodes Groß-Sultans mit eingeschlossen, beherrscht. Eines Morgens, als ich die Schönheit und Heiterkeit des Himmels betrachtete, bemerkte ich ein rundes Ding, ungefähr wie eine Billard-Kugel groß, in der Luft, von welchem noch etwas anderes herunter hing. Ich griff sogleich nach meiner besten und längsten Vogelflinte, ohne welche, wenn ich’s ändern kann, ich niemals ausgehe, oder ausreise, lud sie mit einer Kugel und feuerte nach dem runden Dinge in der Luft. Allein umsonst.
Ich wiederholte den Schuss mit zwei Kugeln, richtete aber noch nichts aus. Erst der dritte Schuss, mit vier oder fünf Kugeln machte an einer Seite ein Loch und brachte das Ding herab. Stellen Sie sich meine Verwunderung vor, als ein niedlich vergoldeter Wagen, hängend in einem ungeheuren Ballon, größer als die größte Turm-Kuppel im Umfange, ungefähr zwei Klafter weit von meiner Barke herunter sank. In dem Wagen befanden sich ein Mann und ein halbes Schaf, welches gebraten zu sein schien. Sobald sich mein erstes Erstaunen gelegt hatte, schloss ich mit meinen Leuten um diese seltsame Gruppe einen dichten Kreis.
Dem Manne, der wie ein Franzose aussah, welches er denn auch war, hingen aus jeder Tasche ein Paar prächtige Uhrketten mit Berlocken, worauf, wie mich dünkt, große Herren und Damen abgemalt waren. Aus jedem Knopfloch hing ihm eine goldene Medaille, wenigstens hundert Dukaten am Werth, und an jeglichem seiner Finger steckte ein kostbarer Ring mit Brillanten. Seine Rocktaschen waren mit vollen Geldbörsen beschwert, die ihn fast zur Erde zogen.
Mein Gott, dachte ich, der Mann muss dem menschlichen Geschlechte außerordentlich wichtige Dienste geleistet haben, dass die großen Herren und Damen, ganz wider ihre heutzutage so allgemeine Knicker-Natur, ihn so mit Geschenken, die es zu sein schienen, beschweren konnten. bei allen dem befand er sich denn doch gegenwärtig von dem Falle so übel, dass er kaum im Stande war, ein Wort hervorzubringen. Nach einiger Zeit erholte er sich wieder, und stattete mir folgenden Bericht ab. „Dieses Luftfuhrwerk hatte ich zwar nicht Kopf und Wissenschaft genug selbst zu erfinden, dennoch aber mehr denn überflüssige Luftspringer- und Seiltänzer-Waghalsigkeit zu besteigen, und darauf mehrmals in die Luft empor zu fahren. Vor ungefähr sieben oder acht Tagen – denn ich habe meine Rechnung verloren – erhob ich mich damit auf der Landspitze von Cornwall in England und nahm ein Schaf mit, um von oben herab vor den Augen vieler tausend Nachgaffer Kunststücke damit zu machen. Unglücklicher Weise drehte sich der Wind innerhalb zehn Minuten nach meinem Hinaufsteigen. Und anstatt mich nach Exeter zu treiben, wo ich wieder zu landen gedachte, ward ich hinaus nach der See getrieben, über welcher ich auch vermutlich die ganze Zeit her in der unermesslichsten Höhe geschwebt habe.
Es war gut, dass ich zu meinem Kunststückchen mit dem Schafe nicht hatte gelangen können. Denn am dritten Tage meiner Luftfahrt, wurde mein Hunger so groß, dass ich mich genötigt sah, das Schaf zu schlachten. Als ich nun damals unendlich hoch über dem Monde war, und nach einer sechzehnstündigen noch weitern Auffahrt endlich der Sonne so nahe kam, dass ich mir die Augenbrauen versengte, so legte ich das tote Schaf, nachdem ich es vorher abgehäutet, an denjenigen Ort im Wagen, wo die Sonne die meiste Kraft hatte, oder mit anderen Worten, wo der Ballon keinen Schatten hinwarf, auf welche Weise es denn in ungefähr drei viertel Stunden völlig gar briet.
Von diesem Braten habe ich die ganze Zeit her gelebt“ – Hier hielt mein Mann ein, und schien sich in Betrachtung der Gegenstände um ihn her zu vertiefen. Als ich ihm sagte, dass die Gebäude da vor uns das Seraglio des Großherrn zu Konstantinopel wären, so schien er außerordentlich bestürzt, indem er sich ganz wo anders zu befinden geglaubt hatte. „Die Ursache meines langen Fluges, fügte er endlich hinzu, war, dass mir ein Faden zerriss, der an einer Klappe in dem Luftballe saß, und dazu diente, die inflammable Luft herauszulassen. Wäre nun nicht auf den Ball gefeuert und derselbe dadurch aufgerissen worden, so möchte er wohl, wie Mahomet, bis an den jüngsten Tag zwischen Himmel und Erde geschwebt haben.“ Den Wagen schenkte er hierauf großmütig meinem Bootsmanne, der hinten am Steuer stand. Den Hamelsbraten warf er ins Meer. Was aber den Luftball anlangte, so war der von dem Schaden, welchen ich ihm zugefügt hatte, im Herabfallen vollends ganz und gar zu Stücken zerrissen.
Viertes See-Abenteuer
Da wir noch Zeit haben, meine Herren, eine frische Flasche auszutrinken, so will ich Ihnen noch eine andere sehr seltsame Begebenheit erzählen, die mir wenige Monate vor meiner letzten Rückreise nach Europa begegnete.
Der Großherr, welchem ich durch die Römisch- und Russisch-Kaiserlichen, wie auch französischen Botschafter vorgestellt worden war, bediente sich meiner, ein Geschäft von großer Wichtigkeit zu Großkairo zu betreiben, welches zugleich so beschaffen war, dass es immer und ewig ein Geheimnis bleiben musste.
Ich reiste mit großem Pompe in einem sehr zahlreichen Gefolge zu Lande ab. Unterweges hatte ich Gelegenheit, meine Dienerschaft mit einigen sehr brauchbaren Subjekten zu vermehren. Denn als ich kaum einige Meilen weit von Konstantinopel entfernt sein mochte, sah ich einen kleinlichen schmächtigen Menschen mit großer Schnelligkeit querfeldein daher laufen, und gleichwohl trug das Männchen an jedem Beine ein bleiernes Gewicht, an die fünfzig Pfund schwer. Verwunderungsvoll über diesen Anblick rief ich ihn an und fragte: „Wohin, wohin so schnell, mein Freund? Und warum erschwerst du dir deinen Lauf durch eine solche Last?“
„Ich lief, versetzte der Läufer, seit einer halben Stunde aus Wien, wo ich bisher bei einer vornehmen Herrschaft in Diensten stand, und heute meinen Abschied nahm. Ich gedenke nach Konstantinopel, um daselbst wieder anzukommen. Durch die Gewichte an meinen Beinen habe ich meine Schnelligkeit, die jetzt nicht nötig ist, ein wenig mindern wollen. Denn moderata durant, pflegte weiland mein Präzeptor zu sagen.“ – Dieser Asahel gefiel mir nicht übel. Ich fragte ihn, ob er bei mir in Dienst treten wollte, und er war dazu bereit. Wir zogen hierauf weiter durch manche Stadt, durch manches Land. Nicht fern vom Wege auf einem schönen Gras-Rein lag Mäuschen still ein Kerl, als ob er schliefe. Allein das tat er nicht.
Er hielt vielmehr sein Ohr so aufmerksam zur Erde, als hätte er die Einwohner der untersten Hölle behorchen wollen. – „Was horchst du da, mein Freund?“ – „Ich horche da zum Zeitvertreibe auf das Gras, und höre, wie es wächst.“ – „Und kannst du das?“ – „O Kleinigkeit!“ – „So tritt in meine Dienste, Freund, wer weiß, was es bisweilen nicht zu horchen geben kann.“ – Mein Kerl sprang auf und folgte mir. Nicht weit davon auf einem kleinen Hügel stand mit angelegtem Gewehr ein Jäger und knallte in die blaue leere Luft. – „Glück zu, Glück zu, Herr Waidmann! Doch wonach schießest du? Ich sehe nichts, als blaue leere Luft.“ – „O ich versuchte nur dies neue Kuchenreutersche Gewehr.
Dort auf der Spitze des Münsters zu Straßburg saß ein Sperling. Den schoss ich eben jetzt herab.“ Wer meine Passion für das edle Waid- und Schützenwerk kennt, den wird es nicht Wunder nehmen, dass ich dem vortrefflichen Schützen sogleich um den Hals fiel. Dass ich nichts sparte, auch ihn in meine Dienste zu ziehen, versteht sich von selbst. Wir zogen darauf weiter durch manche Stadt, durch manches Land, und kamen endlich vor dem Berge Libanon vorbei. Daselbst vor einem großen Cedernwalde stand ein derber untersetzter Kerl und zog an einem Stricke, der um den ganzen Wald herum geschlungen war. „Was ziehst du da, mein Freund?“ fragte ich den Kerl. – „O ich soll Bauholz hohlen, und habe meine Axt zu Hause vergessen. Nun muss ich mir so gut helfen, als es angehen will.“
Mit diesen Worten zog er in einem Ruck den ganzen Wald, bei einer Quadratmeile groß, wie einen Schilfbusch vor meinen Augen nieder. Was ich tat, das lässt sich raten. Ich hätte den Kerl nicht fahren lassen, und hätte er mir meinen ganzen Ambassadeur-Gehaltgekostet. Als ich hierauf fürbass und endlich auf ägyptischen Grund und Boden kam, erhob sich ein so ungeheurer Sturm, dass ich mit allen meinen Wagen, Pferden und Gefolge schier umgerissen und in die Luft davon geführt zu werden fürchtete. Zur linken Seite unseres Weges standen sieben Windmühlen in einer Reihe, deren Flügel so schnell um ihre Achsen schwirrten, als eine Rockenspindel der schnellsten Spinnerin. Nicht weit davon zur Rechten stand ein Kerl, von Sir John Falstafs Corpulenz, und hielt sein rechtes Nasenloch mit seinem Zeigefinger zu.
Sobald der Kerl unsere Not und uns so kümmerlich in diesem Sturme haspeln sah, drehte er sich halb um, machte Fronte gegen uns, und zog ehrerbietig, wie ein Musketier vor seinem Obersten, den Hut vor mir ab. Auf einmal regte sich kein Lüftchen mehr und alle sieben Windmühlen standen plötzlich still. Erstaunt über diesen Vorfall, der nicht natürlich zuzugehen schien, schrie ich dem Unhold zu: „Kerl, was ist das? Sitzt dir der Teufel im Leibe, oder bist du der Teufel selbst?“
„Um Vergebung, Ihro Exzellenz!“ antwortete mir der Mensch; „ich mache da nur meinem Herrn, dem Windmüller, ein wenig Wind. Um nun die sieben Windmühlen nicht ganz und gar umzublasen, musste ich mir wohl das eine Nasenloch zuhalten.“ – Ey, ein vortreffliches Subjekt! dachte ich in meinem stillen Sinn. Der Kerl lässt sich gebrauchen, wenn du dereinst zu Hause kommst und dir‘s an Atem fehlt, alle die Wunderdinge zu erzählen, die dir auf deinen Reisen zu Land und Wasser aufgestoßen sind. Wir wurden daher bald des Handels eins. Der Windmacher ließ seine Mühlen stehen und folgte mir.
Nach gerade war‘s nun Zeit in Großkairo anzulangen. Sobald ich daselbst meinen Auftrag nach Wunsch ausgerichtet hatte, gefiel es mir, mein ganzes unnützes Gesandten-Gefolge, außer meinen neu angenommenen nützlicheren Subjekten zu verabschieden, und mit diesen als ein bloßer Privatmann zurück zu reisen. Da nun das Wetter gar herrlich und der berufene Nilstrom über alle Beschreibung reizend war, so geriet ich in Versuchung eine Barke zu mieten und bis Alexandrien zu Wasser zu reisen. Das ging nun ganz vortrefflich, bis in den dritten Tag.
Sie haben, meine Herren, vermutlich schon mehrmals von den jährlichen Überschwemmungen des Nils gehört. Am dritten Tage, wie gesagt, fing der Nil ganz unbändig an zu schwellen, und am folgenden Tage war links und rechts das ganze Land viele Meilen weit und breit überschwemmt. Am fünften Tage nach Sonnen-Untergang verwickelte sich meine Barke auf einmal in etwas, das ich für Ranken und Strauchwerk hielt. Sobald es aber am nächsten Morgen heller ward, fand ich mich überall von Mandeln umgeben, welche vollkommen reif und ganz vortrefflich waren. Als wir das Senkblei auswarfen, fand sich, dass wir wenigstens sechzig Fuß hoch über dem Boden schwebten, und schlechterdings weder vor noch rückwärts konnten.
Ungefähr gegen acht oder neun Uhr, so viel ich aus der Höhe der Sonne abnehmen konnte, erhob sich plötzlicher Wind, der unsere Barke ganz auf eine Seite umlegte. Hierdurch schöpfte sie Wasser, sank unter, und ich hörte und sah in langer Zeit nichts wieder davon, wie Sie gleich vernehmen werden. Glücklicher Weise retteten wir uns insgesamt, nämlich acht Männer und zwei Knaben, indem wir uns an den Bäumen festhielten, deren Zweige zwar für uns, allein nicht für die Last unserer Barke hinreichten. In dieser Situation verblieben wir drei Wochen und drei Tage und lebten ganz allein von Mandeln. Dass es am Trunke nicht fehlte, versteht sich von selbst.
Am zwei und zwanzigsten Tage unseres Unsterns fiel das Wasser wieder ebenso schnell, als es gestiegen war. Und am sechs und zwanzigsten konnten wir wieder auf Terra Firma fußen. Unsere Barke war der erste angenehme Gegenstand, den wir erblickten. Sie lag ungefähr zweihundert Klafter weit von dem Orte, wo sie gesunken war. Nachdem wir nun alles, was uns nötig und nützlich war, an der Sonne getrocknet hatten, so versahen wir uns mit den Notwendigkeiten aus unserm Schiffsvorrat, und machten uns auf, unsere verlorene Straße wieder zu gewinnen. Nach der genauesten Berechnung fand sich, dass wir an die hundert und fünfzig Meilen weit über Gartenwände und mancherlei Gehänge hinweggetrieben waren.
In sieben Tagen erreichten wir den Fluss, der nun wieder in seinem Bette strömte, und erzählten unser Abenteuer einem Bei. Liebreich half dieser allen unsern Bedürfnissen ab, und sendete uns in einer von seinen eigenen Barken weiter. In ungefähr sechs Tagen langten wir zu Alexandrien an, all wo wir uns nach Konstantinopel einschifften. Ich wurde von dem Großherrn überaus gnädig empfangen, und hatte die Ehre seinen Harem zu sehen, wo seine Hoheit selbst mich hineinzuführen und so viele Damen, selbst die Weiber nicht ausgenommen, anzubieten geruhten, als ich mir nur immer zu meinem Vergnügen auslesen wollte. Mit meinen Liebes-Abenteuern pflege ich nie groß zu tun, daher wünsche ich Ihnen, meine Herren, jetzt insgesamt eine angenehme Ruhe.
Fünftes See-Abenteuer
Nach Endigung der ägyptischen Reisegeschichte wollte der Baron aufbrechen und zu Bette gehen, gerade als die erschlaffende Aufmerksamkeit jedes Zuhörers bei Erwähnung des Großherrlichen Harems in neue Spannung geriet. Sie hätten gar zu gern noch etwas von dem Harem gehört. Da aber der Baron sich durchaus nicht darauf einlassen und gleichwohl der mit Bitten auf ihn losstürmenden munteren Zuhörerschaft nicht alles abschlagen wollte, so gab er noch einige Stückchen seiner merkwürdigen Dienerschaft zum Besten und fuhr in seiner Erzählung also fort.
Bei dem Groß-Sultan galt ich seit meiner ägyptischen Reise alles in allem. Seine Hoheit konnte gar ohne mich nicht leben und bat mich jeden Mittag und Abend bei sich zum Essen. Ich muss bekennen, meine Herren, dass der türkische Kaiser unter allen Potentaten auf Erden den delikatesten Tisch führt. Jedoch ist dies nur von den Speisen, nicht aber von dem Getränke zu verstehen, da, wie Sie wissen werden, Mahomet‘s Gesetz seinen Anhängern den Wein verbietet.
Auf ein gutes Glas Wein muss man also an öffentlichen türkischen Tafeln Verzicht tun. Was indessen gleich nicht öffentlich geschieht, das geschieht doch nicht selten heimlich. Und des Verbots ungeachtet, weiß mancher Türk so gut, als der beste deutsche Prälat, wie ein gutes Glas Wein schmeckt. Das war nun auch der Fall mit Seiner türkischen Hoheit. bei der öffentlichen Tafel, an welcher gewöhnlich der türkische General-Superintendent, nämlich der Mufti, in partem Salarii mit speiste und vor Tische das: Aller Augen – nach Tische aber das Gratias beten musste, wurde des Weines auch nicht mit einer einzigen Silbe gedacht.
Nach aufgehobener Tafel aber wartete auf Seine Hoheit gemeiniglich ein gutes Fläschchen im Kabinett. Einst gab der Großsultan mir einen verstohlenen freundlichen Wink, ihm in sein Kabinett zu folgen. Als wir uns nun daselbst eingeschlossen hatten, holte er aus einem Schränkchen eine Flasche hervor, und sprach: Münchhausen, ich weiß ihr Christen versteht euch auf ein gutes Glas Wein. Da habe ich noch ein einziges Fläschchen Tokaier. So delikat müsst ihr ihn in eurem Leben nicht getrunken haben.“ Hierauf schenkten Seine Hoheit sowohl mir als sich eins ein und stießen mit mir an. „– Nun was sagt Ihr? Gelt! es ist was extra feines?“
„Das Weinchen ist gut, Ihro Hoheit, erwiderte ich. Allein mit Ihrem Wohlnehmen muss ich doch sagen, dass ich ihn in Wien beim Hochseligen Kaiser Carl dem sechsten weit besser getrunken habe. Potz Stern! den sollten Ihro Hoheit einmal versuchen.“ Freund Münchhausen, euer Wort in Ehren! Allein es ist unmöglich, dass irgendein Tokaier besser sei. Denn ich bekam einst nur dies eine Fläschchen von einem Ungarischen Kavalier und er tat ganz verzweifelt rar damit.“ – „Possen, Ihro Hoheit! Tokaier und Tokaier ist ein großmächtiger Unterschied. Die Herren Ungarn überschenken sich eben nicht. Was gilt die Wette, so schaffe ich Ihnen in Zeit von einer Stunde gerades Weges und unmittelbar aus dem Kaiserlichen Keller eine Flasche Tokaier, die aus ganz anderen Augen sehen soll.“
„Münchhausen, ich glaube ihr faselt.“ – „Ich fasele nicht. Gerades Weges aus dem Kaiserlichen Keller in Wien schaffe ich Ihnen in Zeit von einer Stunde eine Flasche Tokaier von einer ganz anderen Nummer, als dieser Krätzer hier.“ – „Münchhausen, Münchhausen! Ihr wollt mich zum Besten haben und das verbitte ich mir. Ich kenne euch zwar sonst als einen überaus wahrhaften Mann, allein – jetzt sollte ich doch fast denken, Ihr flunkertet.“ – „Ey nun, Ihro Hoheit! Es kommt ja auf die Probe an. Erfülle ich nicht mein Wort – denn von allen Aufschneidereien bin ich der abgesagteste Feind – so lassen Ihro Hoheit mir den Kopf abschlagen. Allein mein Kopf ist kein Pappenstiel. Was setzen Sie mir dagegen?“
„Top! Ich halte euch beim Worte. Ist auf den Schlag Vier nicht die Flasche Tokaier hier, so kostet‘s euch ohne Barmherzigkeit den Kopf. Denn foppen lasse ich mich auch von meinen besten Freunden nicht. Besteht ihr aber, wie Ihr versprecht, so könnt ihr aus meiner Schatzkammer so viel an Gold, Silber, Perlen und Edelgesteinen nehmen, als der stärkste Kerl davon zu schleppen vermag.“ – „Das lässt sich hören!“ antwortete ich, bat mir gleich Feder und Tinte aus und schrieb an die Kaiserin-Königin Maria Theresia folgendes Billet: „Ihre Majestät haben unstreitig als Universal-Erbinn auch Ihres Höchstseligen Herren Vaters Keller mitgeerbt. Dürfte ich mir wohl durch Vorzeigern dieses eine Flasche von dem Tokaier ausbitten, wie ich ihn bei Ihrem Herren Vater oft getrunken habe? Allein von dem Besten! Denn es gilt eine Wette. Ich diene gern dafür wieder, wo ich kann, und beharre übrigens usw.“
Dies Billet gab ich, weil es schon fünf Minuten über drei Uhr war, nur sogleich offen meinem Läufer, der seine Gewichte abschnallen und sich unverzüglich auf die Beine nach Wien machen musste. Hierauf tranken wir, der Großsultan und ich, den Rest von seiner Flasche in Erwartung des bessern vollends aus. Es schlug ein Viertel, es schlug Halb, es schlug drei Viertel auf Vier, und noch war kein Läufer zu hören und zu sehen. Nach gerade, gestehe ich, fing mir an ein wenig schwul zu werden. Denn es kam mir vor, als blickte Seine Hoheit schon bisweilen nach der Glockenschnur, um nach dem Scharfrichter zu klingeln. Noch erhielt ich zwar Erlaubnis, einen Gang hinaus in den Garten zu tun, um frische Luft zu schöpfen, allein es folgten mir auch schon ein Paar dienstbare Geister nach, die mich nicht aus den Augen ließen.
In dieser Angst, und als der Zeiger schon auf fünf und fünfzig Minuten stand, schickte ich noch geschwind nach meinem Horcher und Schützen. Sie kamen unverzüglich an, und der Horcher musste sich platt auf die Erde niederlegen, um zu hören, ob nicht mein Laufer endlich ankäme. Zu meinem nicht geringen Schrecken meldete er mir, dass der Schlingel irgendwo, allein weit weg von hier, im tiefsten Schlafe läge und aus Leibeskräften schnarchte. Dies hatte mein braver Schütze nicht sobald gehört, als er auf eine etwas hohe Terrasse lief und, nachdem er sich auf seinen Zehen noch mehr empor gereckt hatte, hastig ausrief: „Bei meiner armen Seele!
Da liegt der Faulenzer unter einer Eiche bei Belgrad und die Flasche neben ihm. Wart! Ich will dich auf kitzeln.“ – Und hiermit legte er unverzüglich seine Kuchenreutersche Flinte an den Kopf und schoss die volle Ladung oben in den Wipfel des Baumes. Ein Hagel von Eicheln, Zweigen und Blättern fiel herab auf den Schläfer, erweckte und brachte ihn, da er selbst fürchtete, die Zeit beinahe verschlafen zu haben, dermaßen geschwind auf die Beine, dass er mit seiner Flasche und einem eigenhändigen Billet von Maria Theresia, um ½ Minuten auf vier Uhr vor des Sultans Kabinette anlangte. Das war ein Gaudium! Ey, wie schlürfte das Großherrliche Leckermaul!
„Münchhausen, sprach er, Ihr müsst es mir nicht übel nehmen, wenn ich diese Flasche für mich allein behalte. Ihr steht zu Wien besser, als ich; Ihr werdet schon an noch mehr zu kommen wissen.“ – Hiermit schloss er die Flasche in sein Schränkchen, steckte den Schlüssel in die Hosentasche, und klingelte nach dem Schatzmeister. – O welch ein angenehmer Silberton meinen Ohren! – „Ich muss euch nun die Wette bezahlen. – Hier! – sprach er zum Schatzmeister, der ins Zimmer trat, lasst meinem Freunde Münchhausen so viel aus der Schatzkammer verabfolgen, als der stärkste Kerl wegzutragen vermag.“ Der Schatzmeister neigte sich vor seinem Herrn bis mit der Nase zur Erde, mir aber schüttelte der Großsultan ganz treuherzig die Hand, und so ließ er uns beide gehen.
Ich säumte nun, wie Sie denken können, meine Herren, keinen Augenblick, die erhaltene Assignation geltend zu machen, ließ meinen Starken mit seinem langen hänfenen Stricke kommen und verfügte mich in die Schatzkammer. Was da mein Starker, nachdem er sein Bündel geschnürt hatte, übrig ließ, das werden Sie wohl schwerlich hohlen wollen. Ich eilte mit meiner Beute gerades Weges nach dem Hafen, nahm dort das größte Lastschiff, das zu bekommen war, in Beschlag, und ging wohlbepackt mit meiner ganzen Dienerschaft unter Segel, um meinen Fang in Sicherheit zu bringen, ehe was widriges dazwischen kam. Was ich befürchtet hatte, das geschah.
Der Schatzmeister hatte Tür und Tor von der Schatzkammer offen gelassen – und freilich war‘s nicht groß mehr nötig, sie zu verschließen – war über Hals und Kopf zum Großsultan gelaufen und hatte ihm Bericht abgestattet, wie vollkommen wohl ich seine Assignation genutzt hatte. Das war denn nun dem Großsultan nicht wenig vor den Kopf gefahren. Die Reue über seine Übereilung konnte nicht lange ausbleiben. Er hatte daher gleich dem Großadmiral befohlen, mit der ganzen Flotte hinter mir herzueilen, und mir zu insinuieren, dass wir so nicht gewettet hätten.
Als ich daher noch nicht zwei Meilen weit in See war, so sah ich schon die ganze türkische Kriegsflotte mit vollen Segeln hinter mir herkommen, und ich muss gestehen, dass mein Kopf, der kaum wieder fest geworden war, nicht wenig von neuem anfing zu wackeln. Allein nun war mein Windmacher bei der Hand und sprach: „Lassen sich Ihro Exzellenz nicht bange sein!“ Er trat hierauf auf das Hinterdeck meines Schiffes, so dass sein eines Nasenloch nach der türkischen Flotte, das andere aber auf unsere Segel gerichtet war, und blies eine so hinlängliche Portion Wind, dass die Flotte an Masten, Segel- und Tauwerk gar übel zugerichtet, nicht nur bis in den Hafen zurückgetrieben, sondern auch mein Schiff in wenig Stunden glücklich nach Italien getrieben ward.
Von meinem Schatze kam mir jedoch wenig zu gute. Denn in Italien ist, trotz der Ehrenrettung des Herrn Bibliothekar Jagemannin Weimar, Armut und Bettelei so groß und die Polizei so schlecht, dass ich ernstlich, weil ich vielleicht eine allzu gutwillige Seele bin, den größten Teil an die Straßenbettler ausspenden musste. Der Rest aber wurde mir auf meiner Reise nach Rom, auf der geheiligten Flur von Loretto, durch eine Bande Straßenräuber abgenommen. Das Gewissen wird diese Herren nicht sehr darüber beunruhigt haben. Denn ihr Fang war noch immer so ansehnlich, dass um den tausendsten Teil die ganze honette Gesellschaft sowohl für sich, als ihre Erben und Erbnehmen, auf alle vergangene und zukünftige Sünden, vollkommenen Ablass selbst aus der ersten und besten Hand in Rom dafür erkaufen konnte. – Nun aber, meine Herren, ist in der Tat mein Schlafstündchen da. Schlafen Sie wohl!
Sechstes und letztes See-Abenteuer
Nach Endigung des vorigen Abenteuers, ließ sich der Baron nicht länger halten, sondern brach wirklich auf, und verließ die Gesellschaft in der besten Laune. Als sich nun Jedermann nach seiner Weise über die Unterhaltung herausließ, die er soeben verschafft hatte, so bemerkte einer von der Gesellschaft, ein Partisan des Barons, der ihn auf seiner letzten Reise in die Türkei begleitet hatte, dass unweit Konstantinopel ein ungeheuer großes Geschütz befindlich sei, dessen der Baron Tottin seinen neulich herausgekommenen Denkwürdigkeiten ganz besonders erwähnt.
Was er davon meldet, ist, so viel ich mich erinnere, folgendes: „Die Türken hatten unweit der Stadt über der Zitadelle auf dem Ufer des berühmten Flusses Simois, ein ungeheures Geschütz aufgepflanzt. Dasselbe war ganz aus Kupfer gegossen, und schoss eine Marmorkugel wenigstens elfhundert Pfund an Gewicht. Ich hatte große Lust, sagt Tott, es abzufeuern, um erst aus seiner Wirkung gehörig zu urteilen. Alles Volk um mich her zitterte und bebte, weil es sich versichert hielt, dass Schloss und Stadt davon übern Haufen stürzen würden. Endlich ließ doch die Furcht ein wenig nach, und ich bekam Erlaubnis, das Geschütz abzufeuern.
Es wurden nicht weniger, als Dreihundert und dreißig Pfund Pulver dazu erfordert, und die Kugel wog, wie ich vorhin sagte, Elfhundert Pfund. Als der Kanonier mit dem Zünder ankam, zog sich der Haufen, der mich umgab, so weit zurück, als er konnte. Mit genauer Not überredete ich den Bassa, der aus Besorgnis herzukam, dass keine Gefahr zu besorgen sei. Selbst dem Kanonier, der es nach meiner Anweisung abfeuern sollte, klopfte vor Angst das Herz. Ich nahm meinen Platz in einer Mauerschanze hinter dem Geschütze, gab das Zeichen und fühlte einen Stoß, wie von einem Erdbeben. In einer Entfernung von dreihundert Klaftern zersprang die Kugel in drei Stücke. Diese flogen über die Meerenge, prallten von dem Wasser empor an die gegenseitigen Berge und setzten den ganzen Kanal, so breit er war, in Einen Schaum.“
Dies, meine Herren, ist, so viel ich mich erinnere, Baron Totts Nachricht von der größten Kanone in der bekannten Welt. Als nun der Herr von Münchhausen und ich jene Gegend besuchten, wurde die Abfeuerung dieses ungeheuren Geschützes durch den Baron Tott uns als ein Beispiel der außerordentlichen Herzhaftigkeit dieses Herren erzählt.
Mein Gönner, der es durchaus nicht vertragen konnte, dass ein Franzose ihm etwas zuvorgetan haben sollte, nahm eben dieses Geschütz auf seine Schulter, sprang, als er’s in seine eigentliche waagrechte Lage gebracht hatte, gerades Weges ins Meer, und schwamm damit an die gegenseitige Küste. Von dort aus versuchte er unglücklicher Weise die Kanone auf ihre vorige Stelle zurück zu werfen. Ich sage, unglücklicher Weise! denn sie glitt ihm ein wenig zu früh aus der Hand, gerade als er zum Wurf ausholte. Hierdurch geschah es denn, dass sie mitten in den Kanal fiel, wo sie nun noch liegt, und wahrscheinlich bis an den jüngsten Tag liegen bleiben wird.
Dies, meine Herren, war es eigentlich, womit es der Herr Baron bei dem Großsultan ganz und gar verdarb. Die Schatz-Historie, der er vorhin seine Ungnade beimaß, war längst vergessen. Denn der Großsultan hat ja genug einzunehmen, und konnte seine Schatzkammer bald wieder füllen. Auch befand der Herr Baron, auf eine eigenhändige Wiedereinladung des Großsultans, die er zu Rom erhielt, sich erst jetzt zum letzten Male in der Türkei. Und wäre vielleicht wohl noch da, wenn der Verlust dieses berüchtigten Geschützes den grausamen Türken nicht so aufgebracht hätte, dass er nun unwiderruflich den Befehl gab, dem Baron den Kopf abzuschlagen.
Eine gewisse Sultaninn aber, von welcher er ein großer Liebling geworden war, gab ihm nicht nur unverzüglich von diesem blutgierigen Vorhaben Nachricht, sondern verbarg ihn auch so lange in ihrem eigenen Gemach, als der Offizier, dem die Exekution aufgetragen war, mit seinen Helfershelfern nach ihm suchte. In der nächstfolgenden Nacht flüchteten wir an den Bord eines nach Venedig bestimmten Schiffes, welches gerade im Begriffe war unter Segel zu gehen, und kamen glücklich davon. Dieser Begebenheit erwähnt der Baron nicht gern, weil ihm da sein Versuch misslang und er noch dazu um ein Haar sein Leben oben drein verloren hätte. Da sie gleichwohl ganz und gar nicht zu seiner Schande gereicht, so pflege ich sie wohl bisweilen hinter seinem Rücken zu erzählen.
* * *
Nun, meine Herren, kennen Sie insgesamt den Herren Baron von Münchhausen, und werden hoffentlich an seiner Wahrhaftigkeit im Mindesten nicht zweifeln. Damit Ihnen aber auch kein Zweifel gegen die Meinige zu Kopfe steige, ein Umstand, den ich so schlechtweg eben nicht voraussetzen mag, so muss ich Ihnen doch ein wenig sagen, wer ich bin.
Mein Vater, oder wenigstens derjenige, welcher dafür gehalten wurde, war von Geburt ein Schweizer, aus Bern. Er führte daselbst eine Art von Oberaufsicht über Straßen, Alleen, Gassen und Brücken. Diese Beamten heißen dort zu Lande – hm! – Gassenkehrer. Meine Mutter war aus den Savoyschen Gebirgen gebürtig, und trug einen überaus schönen großen Kropf am Halse, der bei den Damen jener Gegend etwas sehr gewöhnliches ist. Sie verließ ihre Eltern sehr jung, und ging ihrem Glücke in eben der Stadt nach, wo mein Vater das Licht der Welt erblickt hatte. So lange sie noch ledig war, gewann sie ihren Unterhalt durch allerlei Liebeswerke an unserm Geschlechte.
Denn man weiß, dass sie es niemals abschlug, wenn man sie um eine Gefälligkeit ansprach und besonders ihr mit gehöriger Höflichkeit in der Hand zuvorkam. Dieses liebenswürdige Paar begegnete einander von ungefähr auf der Straße, und da sie beiderseits ein wenig berauscht waren, so taumelten sie gegen einander, und taumelten sich alle beide über den Haufen. Wie sich nun bei dieser Gelegenheit ein Teil immer noch unnützer machte als der andere, und das Ding zu laut wurde, so wurden sie alle beide erst in die Schaarwache, hernach aber in das Zuchthaus geschleppt.
Hier sahen sie bald die Torheit ihrer Zänkerei ein, machten alles wieder gut, verliebten sich und heirateten einander. Da aber meine Mutter zu ihren alten Streichen zurückkehrte, so trennte mein Vater, der gar hohe Begriffe von Ehre hatte, sich ziemlich bald von ihr, und wies ihr die Revenuen von einem Tragekorb zu ihrem künftigen Unterhalte an. Sie vereinigte sich hierauf mit einer Gesellschaft, die mit einem Puppenspiel umherzog. Mit der Zeit führte sie das Schicksal nach Rom, wo sie eine Auster-Bude hielt.
Sie haben unstreitig insgesamt von dem Papst Ganganelli, oder Clemens XIV., und wie gern dieser Herr Austern aß, gehört. Eines Freitags, als derselbe in großem Pompe nach der St. Peters Kirche zur hohen Messe durch die Stadt zog, sah er meiner Mutter Austern (welche, wie sie mir oft erzählt hat, ausnehmend schön und frisch waren) und konnte unmöglich vorüberziehen, ohne sie zu versuchen.
Nun waren zwar mehr als fünftausend Personen in seinem Gefolge; nichts desto weniger aber ließ er sogleich alles still halten und in die Kirche sagen, er könnte vor Morgen das Hochamt nicht halten. Sodann sprang er vom Pferde – denn die Päpste reiten allemal bei solchen Gelegenheiten – ging in meiner Mutter Laden, aß erst alles auf, was von Austern daselbst vorhanden war, und stieg hernach mit ihr in den Keller hinab, wo sie noch mehr hatte. Dieses unterirdische Gemach war meiner Mutter Küche, Visitenstube und Schlafkammer zugleich.
Hier gefiel es ihm so wohl, dass er alle seine Begleiter fortschickte. Kurz, Seine Heiligkeit brachten die ganze Nacht dort mit meiner Mutter zu. Ehe Dieselben am anderen Morgen wieder fortgingen, erteilten Sie ihr vollkommenen Ablass, nicht allein für jede Sünde, die sie schon auf sich hatte, sondern auch für alle diejenigen, womit sie sich etwa künftig noch zu befassen Lust haben möchte. Nun, meine Herren, habe ich darauf das Ehrenwort meiner Mutter – und wer könnte wohl eine solche Ehre bezweifeln? – dass ich die Frucht jener Austernacht bin.
Hintergründe zum Märchen „Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“
Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen sind eine Sammlung von Geschichten, die auf den deutschen Adligen Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen (1720-1797) zurückgehen. Die Geschichten wurden in den 1780er Jahren durch den deutschen Dichter Gottfried August Bürger populär gemacht. Bürger übersetzte und erweiterte eine Sammlung von Geschichten, die zuvor von dem deutschen Schriftsteller Rudolf Erich Raspe auf Englisch veröffentlicht worden waren.
Die Geschichten von Münchhausen, auch bekannt als „Lügenbaron“, sind humorvolle und fantasievolle Erzählungen von unglaublichen Abenteuern und Heldentaten. Die Geschichten spielen oft mit den Gesetzen der Physik und der Logik und führen sie ins Absurde. Einige der bekanntesten Geschichten sind Münchhausens Ritt auf der Kanonenkugel, das Ziehen von sich selbst und seinem Pferd aus dem Sumpf an seinem eigenen Schopf und das Reisen auf dem Mond.
Gottfried August Bürger war ein bedeutender deutscher Dichter der Aufklärungszeit, der insbesondere für seine Balladen bekannt ist. Mit der Übersetzung und Bearbeitung der Münchhausen-Geschichten schuf er eine der bekanntesten Figuren der deutschen Literatur. Die Geschichten wurden in vielen Ländern populär und sind bis heute ein fester Bestandteil der populären Kultur.
Die Münchhausen-Geschichten sind ein Beispiel für die Literaturgattung der „Lügengeschichten“ oder „Schwänke“, die in der europäischen Literatur eine lange Tradition haben. Sie zeichnen sich durch ihre humorvollen und satirischen Erzählungen aus, die oft die Grenzen der Wirklichkeit überschreiten und dem Leser oder Zuhörer ein unterhaltsames und zugleich kritisches Bild der menschlichen Natur und der Gesellschaft vermitteln.
Die Münchhausen-Geschichten haben im Laufe der Jahre zahlreiche Bearbeitungen und Adaptionen erfahren, darunter Theaterstücke, Filme und Hörspiele. Eine der bekanntesten Verfilmungen ist „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ von Terry Gilliam aus dem Jahr 1988.
Interpretationen zum Märchen „Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“
Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen bieten vielfältige Interpretationsmöglichkeiten. Hier sind einige Interpretationsansätze, die im Laufe der Zeit vorgeschlagen wurden:
Satire und Gesellschaftskritik: Die Geschichten des Baron Münchhausen können als satirische Kommentare zur damaligen Gesellschaft und ihren Werten gesehen werden. Sie nehmen die Tendenz des Adels auf, sich selbst zu glorifizieren, und übertreiben sie ins Absurde. Durch die übertriebenen und unglaublichen Abenteuer wird eine Kritik an der Prahlerei und Selbstüberschätzung der Adelsklasse geübt.
Kritik an der Wissenschaft und Rationalität: Die Aufklärung war eine Zeit großer wissenschaftlicher und philosophischer Fortschritte. In den Münchhausen-Geschichten werden die Grenzen der Rationalität und Wissenschaft auf humorvolle Weise ausgelotet und hinterfragt. Die Geschichten zeigen, dass es Dinge gibt, die sich der menschlichen Vernunft und dem wissenschaftlichen Verständnis entziehen.
Fantasie und Eskapismus: Die Geschichten von Münchhausen bieten eine Flucht aus der Realität in eine Welt der Fantasie und des Abenteuers. Sie sind ein Beispiel für die Fähigkeit der Literatur, den Leser in ferne Länder und fantastische Situationen zu entführen. Münchhausens Geschichten können als eine Aufforderung gesehen werden, die eigene Vorstellungskraft zu nutzen und die Grenzen der Realität zu hinterfragen.
Die Kunst des Erzählens: Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen zeigen, wie Geschichten erzählt und gestaltet werden können, um sie unterhaltsam und fesselnd zu machen. Die Geschichten sind ein Beispiel dafür, wie mündliche Erzähltraditionen aufgenommen, verändert und schriftlich festgehalten werden. Die Erzählungen von Münchhausen haben die Leser und Zuhörer fasziniert und inspiriert, selbst Geschichten zu erfinden und zu erzählen.
Menschliche Natur und Selbstüberschätzung: Ein zentrales Thema der Münchhausen-Geschichten ist die menschliche Neigung zur Übertreibung und Selbstüberschätzung. Münchhausen verkörpert diese Eigenschaften, indem er sich als Held seiner eigenen unglaublichen Geschichten darstellt. Die Geschichten können als eine humorvolle Darstellung der menschlichen Schwächen und Eitelkeiten gesehen werden.
Insgesamt bieten die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten, die die Geschichten für verschiedene Leserschaften interessant und unterhaltsam machen.
Adaptionen zum Märchen „Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“
„Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“ haben im Laufe der Zeit viele Adaptionen in verschiedenen Medien erfahren. Hier sind einige konkrete Beispiele:
Film: „Münchhausen“ (1943): Ein deutscher Film, der zur Zeit des Nationalsozialismus entstand, mit Hans Albers in der Hauptrolle. Regie führte Josef von Báky. „The Adventures of Baron Munchausen“ (1988): Ein britischer Film von Terry Gilliam, bekannt für seine Arbeit mit der Comedy-Gruppe Monty Python. Dieser Film ist eine fantasievolle, surreale Interpretation der Münchhausen-Geschichten und zeigt Schauspieler wie John Neville, Eric Idle und Uma Thurman.
Animation: „Baron Prášil“ (auch bekannt als „The Fabulous Baron Munchausen“, 1962): Ein tschechischer Animationsfilm von Regisseur Karel Zeman, der die Geschichten des Barons in einer Mischung aus Animation und Realfilm darstellt.
Literatur: „The Surprising Adventures of Baron Munchausen“ von Rudolf Erich Raspe (1785): Die erste englische Adaption von Bürgers Werk, die den Münchhausen-Stoff international bekannt machte. „Le baron de Münchhausen“ von Théophile Gautier (1862): Eine französische Bearbeitung der Münchhausen-Geschichten.
Theater: „Die Abenteuer des Baron von Münchhausen – Ein Spaß für Kinder“ von Eberhard Streul (1980): Ein Theaterstück für Kinder, das die Münchhausen-Geschichten auf humorvolle und unterhaltsame Weise inszeniert.
Hörspiel: „Die wunderbaren Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“ (1952): Ein deutsches Hörspiel von Kurt Vethake, das auf den Geschichten von Bürger basiert und von der Plattenfirma EUROPA produziert wurde.
Oper: „Münchhausen“ (2011): Eine deutsche Oper von Ludger Vollmer, die auf Bürgers Werk basiert. Die Uraufführung fand am Theater Hagen statt.
Diese Beispiele zeigen die Vielseitigkeit der Münchhausen-Geschichten und wie sie in verschiedenen Medien und kulturellen Kontexten adaptiert wurden. Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen haben über die Jahrhunderte hinweg ihre Faszination und ihren Charme bewahrt und inspirieren immer noch neue Adaptionen und Interpretationen.
Zusammenfassung der Handlung
„Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“ ist eine Sammlung von humorvollen und fantastischen Geschichten, die von den angeblichen Abenteuern des Baron von Münchhausen erzählen. Die Geschichten basieren auf den tatsächlichen Erzählungen des historischen Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen, der für seine humorvollen und übertriebenen Geschichten bekannt war.
Die Geschichten sind episodisch und in keiner festen Reihenfolge angeordnet. Jede Geschichte präsentiert den Baron als einen Held, der in unglaublichen und humorvollen Situationen landet und diese mit Bravour meistert. Einige der bekanntesten Geschichten sind:
Der Ritt auf der Kanonenkugel: Der Baron behauptet, dass er während einer Belagerung auf eine Kanonenkugel gesprungen und so in die feindliche Festung eingedrungen sei.
Der Mondflug: Der Baron erzählt, wie er zum Mond flog, indem er sich an einer Rakete festhielt, die von Flaschenkorken angetrieben wurde.
Das Pferd, das in zwei Hälften geschnitten wurde: Der Baron beschreibt, wie sein Pferd während eines Ritts an einem scharfen Schlagbaum in zwei Hälften geschnitten wurde, er aber unversehrt weiterreiten konnte, nachdem er das Pferd wieder zusammengefügt hatte.
Die Ente, die Goldene Eier legt: Der Baron findet eine Ente, die Goldene Eier legt, und nutzt sie, um reich zu werden.
Der Baron zieht sich an seinem eigenen Schopf aus dem Sumpf: In einer der bekanntesten Geschichten erzählt der Baron, wie er sich und sein Pferd aus einem Sumpf zieht, indem er sich an seinem eigenen Haarschopf hochzieht.
Diese Geschichten sind Beispiele für die humorvollen und fantastischen Situationen, die der Baron in „Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“ erlebt. Gottfried August Bürger präsentiert den Baron als einen Helden, der trotz aller Widrigkeiten triumphierend aus seinen Abenteuern hervorgeht. Die Geschichten sind sowohl eine Hommage an die ursprünglichen Erzählungen des historischen Münchhausen als auch eine Parodie auf die damals populären Reiseromane und Abenteuergeschichten.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 65 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 43.5 |
Flesch-Reading-Ease Index | 49.2 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 11.4 |
Gunning Fog Index | 11.6 |
Coleman–Liau Index | 12 |
SMOG Index | 12 |
Automated Readability Index | 12 |
Zeichen-Anzahl | 80.330 |
Anzahl der Buchstaben | 65.017 |
Anzahl der Sätze | 630 |
Wortanzahl | 12.715 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 20,18 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 2964 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 23.3% |
Silben gesamt | 20.617 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,62 |
Wörter mit drei Silben | 1767 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 13.9% |