Vorlesezeit für Kinder: 3 min
Achtung: Diese Geschichte ist antisemitisch und nicht für Kinder geeignet.
Zwei Nähersmädchen hatten nichts geerbt, als ein gutes, altes Pflaster, welches Geld machte, und wovon sie außer ihrem Nähverdienst lebten. Die eine Schwester war sehr klug, die andere sehr dumm.
Eines Tags, als die älteste in die Kirche gegangen ist, kam ein Jude zu der Dummen:
„Schönes, neues Pflaster zu verkaufen, oder zu vertauschen gegen altes, nichts zu handeln?“
Da ging die Dumme hin und holte dem Juden das alte Pflaster für ein neues Stück, und der Jude wusste wohl, welche Tugend das alte hatte. Wie die älteste heim kam, sprach sie:
„Es geht schlimm mit unserm Nähverdienst, ich muss uns ein bisschen Geld schaffen, wo ist unser Pflaster?“
„Desto besser“, sprach die Dumme, „ich hab auch während du aus warst, ein neues und frisches Stück gehandelt für das alte.“
Hintergründe zum Märchen „Das gute Pflaster“
„Das gute Pflaster“ (KHM 85d), später umbenannt in „Der gute Lappen“, ist ein Märchenfragment der Gebrüder Grimm, das in der Erstauflage ihrer Sammlung „Kinder- und Hausmärchen“ von 1812 erschien. Hier sind einige Hintergrundinformationen zum Märchen:
Herkunft: Jacob Grimm notierte die Geschichte handschriftlich und bezog sich möglicherweise auf mündliche Erzählungen der Familie Hassenpflug. Die Familie Hassenpflug hatte einen engen Kontakt zur Familie Grimm und trug durch ihre mündlichen Erzählungen zum Repertoire der Grimm’schen Märchen bei.
Veröffentlichung: Das Märchenfragment erschien nur in der Erstauflage von 1812 zusammen mit drei anderen Fragmenten unter dem Obertitel „Fragmente“. In späteren Auflagen wurde die Geschichte nicht mehr aufgenommen.
Motive und Vergleiche: Die Geschichte enthält einige Motive, die auch in anderen Märchen und Geschichten vorkommen, wie das Verscherbeln eines wertvollen Gegenstandes (KHM 59, 104), den goldverwandelnden Lappen (KHM 99) oder den Verwandlungswettkampf (KHM 68). Vergleiche finden sich auch zu Aladin aus „Tausendundeine Nacht“ oder der mittelhochdeutschen Verserzählung „Der Sperber“.
Bewertung durch Jacob Grimm: Jacob Grimm notierte handschriftlich zum Märchen „Ist wenig werth“ (Ist wenig wert), was darauf hindeutet, dass er selbst der Meinung war, die Geschichte sei nicht besonders bedeutend oder vollständig.
Antisemitisch: Die Geschichte enthält antisemitische Stereotypen, indem sie den Juden als jemanden darstellt, der versucht, die dumme Schwester auszunutzen und zu betrügen. Dieser negative Charakterzug ist ein Beispiel für antisemitische Vorurteile, die sich in einigen älteren Geschichten finden lassen. Es ist wichtig, solche Stereotypen und Vorurteile zu erkennen und zu hinterfragen, um Diskriminierung und Vorverurteilung aufgrund von Religion oder ethnischer Zugehörigkeit zu vermeiden. Andere Märchen der Gebrüder Grimm, die antisemitische Elemente enthalten: „Der gute Handel“ (KHM 7a): In dieser Geschichte wird ein Jude negativ dargestellt, indem er versucht, einen armen Mann zu betrügen. „Der Jude im Dorn“ (KHM 110): Hier wird ein Jude als habgierig und betrügerisch dargestellt.
Literatur und Forschung: Die Geschichte „Das gute Pflaster“ wurde in Heinz Röllekes Buch „Die älteste Märchensammlung der Brüder Grimm“ (1975) aufgenommen.
Trotz seiner Kürze und Unvollständigkeit gibt „Das gute Pflaster“ (Der gute Lappen) einen Einblick in die Vielfalt und Motivgeschichte der Grimm’schen Märchen und zeigt, dass manche Geschichten aus verschiedenen mündlichen und schriftlichen Quellen stammen können.
Interpretationen zum Märchen „Das gute Pflaster“
Da „Das gute Pflaster“ (KHM 85d), später umbenannt in „Der gute Lappen“, nur ein Fragment eines Märchens ist, sind Interpretationsmöglichkeiten begrenzt. Trotzdem lassen sich einige Schlüsse ziehen und Themen erkennen:
Täuschung und Gier: Die jüngere, unkluge Schwester wird von dem Juden getäuscht, der den wertvollen Lappen gegen einen wertlosen neuen Lappen austauscht. Der jüngeren Schwester ist der Wert des Lappens nicht bewusst, und sie ist leichtgläubig, während der Jude von Gier getrieben wird und die Situation ausnutzt.
Magische Objekte: Der goldverwandelnde Lappen stellt ein magisches Objekt dar, das eine wichtige Rolle im Märchen spielt. Solche Objekte sind in Märchen üblich und repräsentieren oft verborgene Schätze oder Geheimnisse, die sowohl positive als auch negative Konsequenzen haben können.
Schwesterlichkeit und Zusammenhalt: Obwohl die jüngere Schwester einen Fehler begeht, stehen die beiden Schwestern gemeinsam gegen den Betrüger und werden in der angedeuteten Fortsetzung des Fragments aktiv. Dies zeigt, dass trotz individueller Fehler, Zusammenhalt und gemeinsames Handeln in schwierigen Situationen zu einer erfolgreichen Lösung führen können.
Wissen und Weisheit: Die ältere Schwester, die von der Kirche zurückkehrt, repräsentiert möglicherweise Wissen und Weisheit. Ihre Abwesenheit während des Handels zeigt, wie wichtig es ist, sich Wissen und Weisheit zunutze zu machen, um kluge Entscheidungen zu treffen und Betrug zu vermeiden.
Verwandlung und Bestrafung: Das Fragment deutet darauf hin, dass die Schwestern und der Jude später in Tiere verwandelt werden und die Schwestern den verwandelten Hund (den Juden) totprügeln. Verwandlungen sind in Märchen häufig, und sie können als Metaphern für persönliche Veränderungen oder Bestrafungen für schlechtes Verhalten angesehen werden.
Insgesamt bietet das Märchenfragment „Das gute Pflaster“ (Der gute Lappen) einen Einblick in typische Märchenmotive, wie Täuschung, Magie, Zusammenhalt, Wissen und Weisheit, sowie Verwandlung und Bestrafung. Obwohl das Fragment unvollständig ist, lassen sich aus diesen Themen Interpretationen und Rückschlüsse ziehen, die zum Verständnis von Märchen im Allgemeinen beitragen.
Adaptionen zum Märchen „Das gute Pflaster“
Da „Das gute Pflaster“ (KHM 85d), später umbenannt in „Der gute Lappen“, nur ein Fragment eines Märchens ist und nicht die Bekanntheit anderer Märchen der Brüder Grimm erreicht hat, sind Adaptionen und Bearbeitungen dieser Geschichte selten. Es gibt keine bekannten filmischen oder literarischen Adaptionen, die direkt auf diesem Märchenfragment basieren.
Stattdessen wurden die Motive und Themen aus „Das gute Pflaster“ in anderen Märchen und Geschichten aufgegriffen und weiterentwickelt. Hier sind einige Beispiele von Adaptionen und Werken, die ähnliche Motive und Themen behandeln:
Aladin und die Wunderlampe: Die Geschichte von Aladin, die in der Sammlung „Tausendundeine Nacht“ enthalten ist, handelt von einem Jungen, der eine magische Lampe findet, die ihm Wünsche erfüllt. Ähnlich wie im Märchen „Das gute Pflaster“ gibt es hier den Austausch eines wertvollen Gegenstands, als die böse Zauberin die Wunderlampe gegen eine gewöhnliche Lampe austauscht. Adaptionen von Aladin sind in zahlreichen Filmen, Theaterstücken und Büchern zu finden, wie z.B. der Disney-Film „Aladdin“ (1992).
Rumpelstilzchen (KHM 55): Dieses Märchen der Gebrüder Grimm behandelt das Motiv der Goldherstellung durch ein magisches Wesen, das Stroh zu Gold spinnt. Rumpelstilzchen wurde in verschiedenen Formen adaptiert, zum Beispiel in Filmen wie „Rumpelstiltskin“ (1987) und „Rumpelstilzchen“ (1995), sowie in einer Episode der Fernsehserie „Grimm“ (2011-2017).
Die Gänsemagd (KHM 89): In diesem Märchen der Brüder Grimm kommt es zur Verwandlung der Prinzessin in eine Gänsemagd und der Bestrafung der bösen Magd. „Die Gänsemagd“ wurde als Fernsehfilm „Die Gänsemagd“ (2009) in der Reihe „Märchenperlen“ des ZDF adaptiert und als Kinderbuch von verschiedenen Autoren neu erzählt.
Obwohl „Das gute Pflaster“ selbst keine direkten Adaptionen aufweist, sind die in der Geschichte behandelten Motive und Themen in vielen anderen Märchen und Geschichten zu finden, die im Laufe der Zeit vielfältig adaptiert und bearbeitet wurden.
Zusammenfassung des Märchen „Das gute Pflaster“
„Das gute Pflaster“ (KHM 85d), später umbenannt in „Der gute Lappen“, ist ein Fragment eines Märchens der Gebrüder Grimm. Die Handlung dreht sich um zwei Näherschwestern, die einen magischen Lappen erben, der die Fähigkeit hat, alles, was damit berührt wird, in Gold zu verwandeln.
Als die kluge ältere Schwester eines Tages von der Kirche nach Hause zurückkehrt, findet sie heraus, dass die jüngere, unkluge Schwester den wertvollen Lappen bei einem Juden, der wohl über die besondere Eigenschaft des Lappens Bescheid wusste, gegen einen gewöhnlichen, neuen Lappen eingetauscht hat.
Das Fragment gibt keine detaillierte Beschreibung der weiteren Handlung, deutet aber darauf hin, dass der Jude in einen Hund verwandelt wird und die Schwestern in Hühner, bevor sie wieder zu Menschen werden und den verwandelten Hund totprügeln.
Die Handlung des Märchen
In dieser Geschichte geht es um zwei Nähersmädchen, die nichts geerbt haben außer einem magischen Pflaster, das Geld erschaffen kann. Die eine Schwester ist klug, während die andere dumm ist. Eines Tages, während die kluge Schwester in der Kirche ist, kommt ein Jude zum Haus der dummen Schwester und fragt, ob sie altes Pflaster gegen neues tauschen wollen. Die dumme Schwester stimmt zu und tauscht das wertvolle, geldmachende Pflaster gegen ein gewöhnliches, neues Stück. Als die kluge Schwester nach Hause kommt und von dem Tausch erfährt, ist sie besorgt über ihre finanzielle Situation. Sie erklärt, dass es schlecht um ihren Nähverdienst steht und sie nun Geld erschaffen müssen. Die dumme Schwester erwidert, dass es gut ist, dass sie ein neues und frisches Stück Pflaster gehandelt haben, ohne zu begreifen, dass sie das wertvolle Pflaster verloren haben.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Nummer | KHM 85d |
Aarne-Thompson-Uther-Index | ATU 561 |
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 77.5 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 34.1 |
Flesch-Reading-Ease Index | 65.4 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 8 |
Gunning Fog Index | 7.9 |
Coleman–Liau Index | 12 |
SMOG Index | 9.3 |
Automated Readability Index | 9.2 |
Zeichen-Anzahl | 880 |
Anzahl der Buchstaben | 678 |
Anzahl der Sätze | 9 |
Wortanzahl | 140 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 15,56 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 26 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 18.6% |
Silben gesamt | 208 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,49 |
Wörter mit drei Silben | 10 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 7.1% |