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Es ging ein armer Hirte an dem Ufer eines großen und ungestümen Wassers, hütend einen Haufen weißer Gänse. Zu diesem kam der Tod über Wasser und wurde von dem Hirten gefragt, wo er herkomme und wo er hin wolle.
Der Tod antwortete, dass er aus dem Wasser komme und aus der Welt wolle. Der arme Gänsehirte fragte ferner, wie man doch aus der Welt kommen könne. Der Tod sagte, dass man über das Wasser in die neue Welt müsse, welche jenseits gelegen. Der Hirte sagte, dass er dieses Lebens müde, und bat den Tod, er sollte ihn mit über nehmen.
Der Tod sagte, dass es noch nicht Zeit, und hätte er jetzt sonst zu verrichten. Es war aber unfern davon ein Geizhals, der trachtete bei nachts auf seinem Lager, wie er doch mehr Geld und Gut zusammenbringen möchte, den führte der Tod zu dem großen Wasser und stieß ihn hinein.
Weil er aber nicht schwimmen konnte, ist er zu Grunde gesunken, bevor er an das Ufer konnte. Seine Hunde und Katzen, so ihm nachgelaufen, sind auch mit ihm ersoffen. Etliche Tage hernach kam der Tod auch zu dem Gänsehirten, fand ihn fröhlich singen und sprach zu ihm: „Willst du nun mit?“ Er war willig und kam mit seinen weißen Gänsen wohl hinüber, welche alle in weiße Schafe verwandelt worden.
Der Gänsehirte betrachtete das schöne Land und hörte, dass die Hirten der Orten zu Königen würden, und indem er sich recht umsah, kamen ihm die Erzhirten Abraham, Isaak und Jakob entgegen, setzten ihm eine königliche Krone auf und führten ihn in der Hirten Schloss, allda er noch zu finden.

Hintergründe
Interpretationen
Adaptionen
Zusammenfassung
Textanalyse
„Der Tod und der Gänsehirt“ (KHM 27a) ist ein Märchen aus der ersten Auflage der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (1812). Die Geschichte stammt ursprünglich aus Georg Philipp Harsdörffers Sammlung „Der große Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichten“ (1663). Das Märchen wurde in späteren Auflagen der Grimmschen Sammlung entfernt und ist daher weniger bekannt als viele andere Grimm-Märchen.
Bedeutung: Der Tod als Charakter: Der Tod wird in diesem Märchen als eine Figur dargestellt, die über Leben und Tod entscheidet und sowohl bestrafend als auch belohnend agiert. Diese Darstellung des Todes ist in vielen Volksmärchen und Erzählungen anzutreffen.
Gerechtigkeit und Belohnung: Die Geschichte zeigt die ausgleichende Gerechtigkeit des Todes, der den Geizhals bestraft, indem er ihn ertränkt, und den fröhlichen, zufriedenen Gänsehirten belohnt, indem er ihn in einen König verwandelt. Diese Botschaft entspricht der christlichen Vorstellung von Gerechtigkeit und dem Glauben, dass gute Taten belohnt und schlechte bestraft werden.
Mythologische Motive: Die Begegnung des Gänsehirten mit dem Tod an einem großen Wasser erinnert an das mythologische Motiv des Totenflusses, das in vielen Kulturen und Religionen als symbolische Grenze zwischen Leben und Tod vorkommt. Die Verwandlung der Gänse in Schafe und die Erhebung des Gänsehirten zum König zeigen eine Idee von sozialem Aufstieg und persönlicher Veränderung, die für viele Märchen und Erzählungen charakteristisch ist.
„Der Tod und der Gänsehirt“ (KHM 27a) von den Gebrüdern Grimm ist ein Märchen, das verschiedene Interpretationsansätze zulässt. Hier sind einige mögliche Interpretationen:
Die Unausweichlichkeit des Todes: Das Märchen zeigt, dass der Tod unvermeidlich ist, unabhängig von Reichtum, Status oder persönlichen Wünschen. Sowohl der Geizhals als auch der Gänsehirt begegnen dem Tod, obwohl sie unterschiedliche Lebensstile und Prioritäten haben.
Die Belohnung der Bescheidenheit: Der Gänsehirt wird belohnt, weil er bescheiden, zufrieden und dankbar für das ist, was er hat. Im Gegensatz dazu wird der Geizhals bestraft, weil er nach mehr strebt und seinen Reichtum nicht teilt. Diese Interpretation unterstreicht die Bedeutung von Bescheidenheit und Dankbarkeit im Leben.
Gerechtigkeit und Vergeltung: Das Märchen betont die ausgleichende Gerechtigkeit, die der Tod bringt. Der Tod bestraft den geizigen Mann und belohnt den fröhlichen, zufriedenen Gänsehirt. Diese Interpretation spiegelt die Vorstellung wider, dass im Leben oder im Jenseits eine höhere Gerechtigkeit existiert, die für die Handlungen der Menschen Vergeltung übt.
Die Rolle des Schicksals: Der Tod verkörpert auch das Schicksal, das sowohl gut als auch schlecht sein kann. Der Geizhals hat ein schlimmes Schicksal und stirbt, während der Gänsehirt ein gutes Schicksal hat und zum König erhoben wird. Dieses Märchen zeigt, dass das Schicksal unvorhersehbar ist und manchmal überraschende Wendungen bereithält.
Die Veränderung und Transformation: Die Verwandlung der Gänse in Schafe und die Erhebung des Gänsehirten zum König symbolisieren persönliche Veränderung und Wachstum. Diese Interpretation betont, dass es möglich ist, sich zu entwickeln und sozial aufzusteigen, insbesondere wenn man dankbar und zufrieden ist.
Insgesamt bietet „Der Tod und der Gänsehirt“ (KHM 27a) verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, die Themen wie Tod, Gerechtigkeit, Schicksal, Bescheidenheit und persönliche Veränderung aufgreifen.
Obwohl „Der Tod und der Gänsehirt“ (KHM 27a) nicht zu den bekanntesten Märchen der Gebrüder Grimm zählt, gibt es dennoch einige Adaptionen und Interpretationen dieser Geschichte. Hier sind einige Beispiele:
Literatur: Janosch’s Parodie: Der deutsche Autor und Illustrator Janosch hat das Märchen in einer Parodie aufgegriffen, in der der Tod viele Menschen holt, die im Leben mehr wollten. Auf dem Rückweg trifft der Tod den Gänsehirt, der zufrieden ist und nichts anderes als die Töne seiner Flöte braucht. Die Töne bleiben ihm erhalten, während er vom Tod abgeholt wird. Diese Parodie betont die Wichtigkeit von Bescheidenheit und Zufriedenheit im Leben.
Theaterstücke: Es gibt mehrere Theatergruppen, die das Märchen als Bühnenstück adaptiert haben. Zum Beispiel wurde es 2013 von der Theatergruppe „Theaterfusion Berlin“ als Teil einer Aufführung mit dem Titel „Grimms verlorene Märchen“ präsentiert. Das Stück beinhaltet die Begegnung des Gänsehirten mit dem Tod und die daraus resultierenden Veränderungen in seinem Leben.
Radioproduktionen: Das Märchen wurde auch für Radiosendungen adaptiert, zum Beispiel von den deutschen Radiosendern WDR und SWR. In diesen Hörspielen wird die Geschichte erzählt und von Schauspielern gesprochen, die die verschiedenen Charaktere verkörpern.
Animationsfilme: Es gibt auch einige Animationsfilme, die auf „Der Tod und der Gänsehirt“ basieren, obwohl sie nicht so verbreitet sind wie andere Grimm-Märchen. Zum Beispiel gibt es einen tschechischen Animationsfilm von 2014 mit dem Titel „Smrt a pastýř hus“ (Der Tod und der Gänsehirt). In diesem Kurzfilm wird die Begegnung zwischen dem Tod und dem Gänsehirt in einer modernen Animation dargestellt.
Sammlungen und Anthologien: Das Märchen ist auch in verschiedenen Märchenbüchern und Sammlungen enthalten, in denen weniger bekannte Geschichten der Brüder Grimm präsentiert werden. Diese Adaptionen können illustriert sein und bieten oft Interpretationen und Hintergrundinformationen zur Geschichte.
Die verschiedenen Adaptionen von „Der Tod und der Gänsehirt“ (KHM 27a) zeigen, dass das Märchen weiterhin interessant und relevant ist, auch wenn es nicht zu den bekanntesten Geschichten der Brüder Grimm gehört.
„Der Tod und der Gänsehirt“ ist ein Märchen aus der ersten Auflage der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (1812). Die Handlung ist wie folgt: Ein Gänsehirt begegnet dem Tod an einem großen Wasser. Der Tod ist auf dem Weg, die Welt über das Wasser zu verlassen. Der Gänsehirt möchte ihn begleiten, aber der Tod sagt, dass es noch zu früh dafür sei. Stattdessen stößt der Tod einen Geizhals ins Wasser, der mitsamt seinen Hunden und Katzen ertrinkt. Tage später erscheint der Tod wieder bei dem fröhlichen, zufriedenen Gänsehirten. Daraufhin verwandeln sich seine Gänse in Schafe und der Gänsehirt wird zum König erhoben, wie Abraham, Isaak und Jakob.
Die linguistische Analyse eines Textes, speziell eines Märchens wie „Der Tod und der Gänsehirt“ von den Gebrüdern Grimm, kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen: phonetisch, morphologisch, syntaktisch und semantisch.
Im Folgenden werde ich einige dieser Aspekte beleuchten
Phonetik und Phonologie: Der Text verwendet die für die deutsche Sprache typischen Laute und diakritischen Zeichen. Es gibt keine auffälligen phonetischen Besonderheiten oder Abweichungen von der Standardlautung. Der Einsatz von Alliterationen und Assonanzen ist kein wesentlicher Bestandteil dieses Märchens, obgleich die Wiederholung bestimmter Laute wie ‚Gänsehirte‘ oder ‚Geizhals‘ zur klanglichen Harmonie beiträgt.
Morphologie: Die Morphologie des Textes zeigt eine typische Verwendung des Flexionssystems der deutschen Sprache mit Deklinationen und Konjugationen. Beispielsweise werden Substantive in verschiedenen Kasus verwendet („eines großen und ungestümen Wassers“ – Genitiv) und Verben in unterschiedlichen Tempora („fragte“, „sprach“ – Präteritum). Der Text enthält veraltete Formen und Konstruktionen, was für die Märchen der Gebrüder Grimm üblich ist, z.B. „allda“ für „wo“.
Syntax: Die Satzstruktur variiert zwischen Hauptsätzen und Nebensätzen, was in der Literatur der damaligen Zeit typisch war. Konjunktionen wie „dass“ und „weil“ verbinden die Sätze. Der Satzbau ist größtenteils hypotaktisch, was bedeutet, dass längere, verschachtelte Sätze mit mehreren Glied- und Nebensätzen vorkommen.
Semantik: Thematisch dreht sich das Märchen um Tod und Erlösung, was durch den Dialog zwischen dem Gänsehirten und dem Tod sowie durch den Übergang ins „neue Land“ dargestellt wird. Es gibt eine allegorische Bedeutungsebene, in der der Tod als Übergangsfigur fungiert, die den Gänsehirten in ein besseres Leben führt, während der Geizhals im Wasser untergeht – eine moralische Lektion über den Wert von Bescheidenheit und innerem Frieden über Materialismus.
Pragmatik: Der Text vermittelt moralische und kulturelle Werte jener Zeit, z.B. die Verachtung von Habgier und die Belohnung für Einfachheit und Zufriedenheit im Leben. Zuhörer oder Leser werden durch die klaren Gegensätze zwischen den Charakteren (Gänsehirte vs. Geizhals) angeleitet, die zugrunde liegende Moral des Märchens zu erkennen.
Insgesamt spiegelt „Der Tod und der Gänsehirt“ nicht nur die linguistische Vielfalt der deutschen Sprache wider, sondern auch die zeitgenössischen gesellschaftlichen und kulturellen Werte sowie die für die Grimms typischen narrativen Strukturen.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Nummer | KHM 27a |
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 73.2 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 34 |
Flesch-Reading-Ease Index | 61.2 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 9.8 |
Gunning Fog Index | 10.2 |
Coleman–Liau Index | 10.6 |
SMOG Index | 10.2 |
Automated Readability Index | 10 |
Zeichen-Anzahl | 1.532 |
Anzahl der Buchstaben | 1.203 |
Anzahl der Sätze | 13 |
Wortanzahl | 268 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 20,62 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 36 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 13.4% |
Silben gesamt | 395 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,47 |
Wörter mit drei Silben | 19 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 7.1% |