Vorlesezeit für Kinder: 3 min
Achtung: Es handelt sich um eine Grusel-Geschichte.
Es war einmal eine Frau mit ihren zwei Töchtern in solche Armut geraten, dass sie auch nicht ein Bisschen Brot mehr in den Mund zu stecken hatten. Wie nun der Hunger bei ihnen so groß ward, dass die Mutter ganz außer sich und in Verzweiflung geriet, sprach sie zu der ältesten:
„Ich muss dich töten, damit ich etwas zu essen habe.“
Die Tochter sagte: „Ach, liebe Mutter, schont meiner, ich will ausgehen und sehen, dass ich etwas zu essen kriege ohne Bettelei.“
Da ging sie aus, kam wieder, und hatte ein Stückchen Brot eingebracht, das aßen sie miteinander, es war aber zu wenig, um den Hunger zu stillen.
Darum hub die Mutter zur anderen Tochter an: „So musst du daran.“
Sie antwortete aber: „Ach, liebe Mutter, schont meiner, ich will gehen und unbemerkt etwas zu essen anderswo ausbringen.“
Da ging sie hin, kam wieder und hatte zwei Stückchen Brot eingebracht. Das aßen sie mit einander, es war aber zu wenig, um den Hunger zu stillen.
Darum sprach die Mutter nach etlichen Stunden abermals zu ihnen: „Ihr müsst doch sterben, denn wir müssen sonst verschmachten.“
Darauf antworteten sie: „Liebe Mutter, wir wollen uns niederlegen und schlafen, und nicht eher wieder aufstehen, als bis der jüngste Tag kommt.“
Da legten sie sich hin und schliefen einen tiefen Schlaf, aus dem sie niemand erwecken konnte, die Mutter aber ist weggekommen und weiß kein Mensch, wo sie geblieben ist.
Hintergründe zum Märchen „Die Kinder in Hungersnot“
„Die Kinder in Hungersnot“ (KHM 143a) ist ein weniger bekanntes Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm, das nur in der ersten Auflage der Kinder- und Hausmärchen von 1815 erschien. Die Geschichte basiert auf einer Sage aus Johannes Praetorius‘ Sammlung „Der abentheuerliche Glückstopf“ aus dem Jahr 1669. Die Zeit, in der die Gebrüder Grimm lebten und arbeiteten, war von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen geprägt. Hungersnöte und Armut waren zu dieser Zeit ein präsentes Thema, insbesondere im ländlichen Raum. Die Geschichte kann daher als Reflexion dieser gesellschaftlichen Realität interpretiert werden.
Eine mögliche moralische Botschaft des Märchens könnte sein, dass Mut und Geschicklichkeit in Zeiten der Not belohnt werden. Die beiden Schwestern zeigen Zusammenhalt und Cleverness und sind in der Lage, ihrer Mutter Brot ohne Betteln zu besorgen. Zudem schaffen sie es, ihre Mutter davon zu überzeugen, bis zum Jüngsten Tag zu schlafen und so ihre eigene Haut zu retten. „Die Kinder in Hungersnot“ behandelt Themen wie Armut, Hunger, Überlebenskampf, Zusammenhalt und Familie. Die beiden Schwestern stehen im Mittelpunkt der Handlung und agieren als Protagonistinnen, während die Mutter als antagonistische Figur erscheint. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Geschichte von vielen anderen Märchen der Grimms, die oft von einem Helden oder einer Prinzessin handeln.
Die Geschichte weist Ähnlichkeiten zu anderen Märchen der Brüder Grimm auf, wie „Die zwölf Apostel“ (KHM 202) und „Gottes Speise“ (KHM 205). Beide Geschichten handeln von göttlichen Eingriffen und der Versorgung von Nahrung in Zeiten der Not. „Die Kinder in Hungersnot“ wurde aus späteren Ausgaben der Grimm’schen Märchensammlung entfernt, möglicherweise aufgrund der düsteren und drastischen Thematik. Die Brüder Grimm überarbeiteten und veränderten ihre Sammlung im Laufe der Jahre mehrfach und strichen einige Geschichten, die sie als unpassend oder nicht kindgerecht empfanden.
Interpretationen zum Märchen „Die Kinder in Hungersnot“
„Die Kinder in Hungersnot“ (KHM 143a) ist ein weniger bekanntes Märchen der Gebrüder Grimm, das verschiedene Interpretationsmöglichkeiten bietet. Hier sind einige mögliche Interpretationen:
Gesellschaftskritik: Die Geschichte könnte als Kritik an den sozialen und wirtschaftlichen Zuständen der damaligen Zeit verstanden werden. Hunger und Armut waren weit verbreitet, und die Erzählung zeigt die drastischen Maßnahmen, zu denen Menschen in ihrer Verzweiflung greifen können.
Mutter-Tochter-Beziehung: Das Märchen beleuchtet die Beziehung zwischen Mutter und Töchtern. Die Mutter ist bereit, ihre eigenen Kinder zu opfern, um ihr Überleben zu sichern. Trotzdem stehen die beiden Schwestern zusammen und nutzen ihre List und Klugheit, um die Situation zu meistern und die Mutter von ihrem gewalttätigen Plan abzubringen.
Geschwisterliebe und Zusammenhalt: Eine zentrale Botschaft des Märchens könnte die Wichtigkeit von Zusammenhalt und Geschwisterliebe sein. Die Schwestern unterstützen einander in einer ausweglosen Situation und können dadurch ihr Überleben sichern.
Glaube und göttliche Intervention: Obwohl keine explizite religiöse Botschaft in der Geschichte enthalten ist, spielen die beiden Stücke Brot eine wichtige Rolle. Die Schwestern erhalten die Brote ohne zu betteln, was auf eine göttliche Hilfe hindeuten könnte. In diesem Zusammenhang könnte die Geschichte als Zeugnis des Glaubens an göttliche Fügung und Hilfe in schwierigen Zeiten verstanden werden.
Die Rolle von Frauen: Das Märchen stellt die beiden Schwestern als kluge und mutige Protagonistinnen dar. Sie nehmen ihre Schicksale in die eigenen Hände und können durch ihre Geschicklichkeit und Entschlossenheit die Bedrohung durch ihre Mutter abwenden. In dieser Hinsicht könnte das Märchen auch als Plädoyer für weibliche Stärke und Selbstbestimmung gesehen werden.
Es gibt viele mögliche Interpretationen der Geschichte „Die Kinder in Hungersnot“, abhängig von den Schwerpunkten und Betrachtungswinkeln des Lesers oder Zuhörers. Wie bei vielen Märchen der Gebrüder Grimm spiegelt das Märchen gesellschaftliche, kulturelle und moralische Aspekte seiner Zeit wider und bietet Einblicke in die menschliche Natur und ihre verschiedenen Facetten.
Adaptionen zum Märchen „Die Kinder in Hungersnot“
„Die Kinder in Hungersnot“ (KHM 143a) ist ein weniger bekanntes Märchen der Gebrüder Grimm, und aufgrund seiner düsteren Thematik und seiner Entfernung aus späteren Ausgaben der Märchensammlung gibt es nicht viele Adaptionen des Märchens. Es ist jedoch möglich, dass das Märchen in anderen künstlerischen Formen oder als Inspiration für andere Werke aufgegriffen wurde. Hier sind einige Beispiele:
Theaterstücke: Ein Theaterstück oder eine szenische Lesung, die sich auf das Märchen „Die Kinder in Hungersnot“ bezieht, könnte die tragischen Aspekte der Geschichte hervorheben und sich auf die Themen Zusammenhalt, Familie und Überlebenskampf konzentrieren. Ein solches Theaterstück könnte sowohl von professionellen Schauspielern als auch von Laien aufgeführt werden und eine kritische Auseinandersetzung mit den Themen des Märchens ermöglichen.
Kurzgeschichten oder Romane: Autoren könnten sich von der Erzählung „Die Kinder in Hungersnot“ inspirieren lassen und sie in modernen Kurzgeschichten oder Romanen neu erzählen. Dabei könnten sie die Handlung in eine andere Zeit oder einen anderen kulturellen Kontext verlagern und so neue Perspektiven auf die Themen des Märchens bieten.
Film- oder Fernsehadaptionen: Obwohl es derzeit keine bekannten Film- oder Fernsehadaptionen von „Die Kinder in Hungersnot“ gibt, könnte eine solche Adaption die Geschichte in einem anderen Medium präsentieren und so einem breiteren Publikum zugänglich machen. Eine Film- oder Fernsehadaption könnte die düsteren Aspekte des Märchens betonen oder die Geschichte in einer moderneren oder weniger grausamen Weise neu erzählen.
Musik: Komponisten oder Liedermacher könnten sich von „Die Kinder in Hungersnot“ inspirieren lassen und Musikstücke oder Lieder schreiben, die auf den Themen und Motiven der Geschichte basieren. Solche Musikstücke könnten eine tiefe emotionale Wirkung haben und die Zuhörer zum Nachdenken über die Themen des Märchens anregen.
Da es nicht viele bekannte Adaptionen von „Die Kinder in Hungersnot“ gibt, bieten die oben genannten Beispiele eher Möglichkeiten, wie das Märchen in verschiedenen künstlerischen Formen umgesetzt oder als Inspiration für andere Werke verwendet werden könnte.
Zusammenfassung der Handlung
„Die Kinder in Hungersnot“ ist ein düsteres Märchen der Gebrüder Grimm, das von einer Familie handelt, die von Hunger und Armut betroffen ist. In der Geschichte gibt es eine Mutter und ihre zwei Töchter, die am Rande des Verhungerns stehen. Aus Verzweiflung beschließt die Mutter, ihre ältere Tochter zu schlachten, um etwas zu essen zu haben. Die ältere Tochter bittet jedoch um Gnade und verspricht, ohne zu betteln, ein Stück Brot zu besorgen. Sie hält ihr Versprechen und bringt tatsächlich ein Stück Brot mit nach Hause.
Anschließend plant die Mutter, ihre jüngere Tochter zu opfern. Doch auch diese bittet um Gnade und verspricht, zwei Stücke Brot zu besorgen. Sie kehrt mit den versprochenen Brotstücken zurück und überzeugt zusammen mit ihrer Schwester die Mutter, bis zum Jüngsten Tag zu schlafen. Die beiden Schwestern können die Mutter tatsächlich in einen tiefen Schlaf versetzen, aus dem sie nicht mehr erwacht. Die Mutter verschwindet, und die beiden Schwestern sind in Sicherheit. Das Märchen endet mit dem Verschwinden der Mutter und dem Überleben der Schwestern, die dem Hungertod entkommen sind.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Nummer | KHM 143a |
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 71 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 35.8 |
Flesch-Reading-Ease Index | 57.7 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 10.1 |
Gunning Fog Index | 11.6 |
Coleman–Liau Index | 11.8 |
SMOG Index | 11.3 |
Automated Readability Index | 10.4 |
Zeichen-Anzahl | 1.435 |
Anzahl der Buchstaben | 1.100 |
Anzahl der Sätze | 12 |
Wortanzahl | 235 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 19,58 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 38 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 16.2% |
Silben gesamt | 359 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,53 |
Wörter mit drei Silben | 24 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 10.2% |