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Der letzte Tag
Grimm Märchen

Der letzte Tag - Märchen von Hans Christian Andersen

Vorlesezeit für Kinder: 11 min

Der heiligste von allen unseren Lebenstagen ist der Tag, an dem wir sterben. Das ist der letzte Tag, der heilige, große Tag der Verwandlung. Hast Du schon einmal von rechtem Ernste erfüllt über diese mächtige, und allen gewisse letzte Stunde auf Erden nachgedacht? Da war einmal ein Mann, ein Strenggläubiger, wie er genannt wurde, ein Streiter für das Wort, das ihm Gesetz war, ein eifernder Diener eines eifernden Gottes. – Nun stand der Tod an seinem Bette. Der Tod mit seinem strengen himmlischen Antlitz.

„Die Stunde ist gekommen, da Du mir folgen sollst!“ sagte der Tod. Er berührte mit seinen eiskalten Händen seine Füße und sie erstarrten. Der Tod berührte seine Stirn, und dann sein Herz, und es brach bei der Berührung und die Seele folgte dem Engel des Todes. Aber in den wenigen Sekunden vorher, während der Weihe vom Fuße über die Stirn bis zum Herzen, brauste, wie eines Meeres große, schwere Woge, alles, was das Leben gebracht und erweckt hatte, über den Sterbenden dahin.

So sieht man mit einem Blick hinab in die schwindelnde Tiefe und erfasst mit einem blitzartigen Gedanken den unübersehbaren Weg, so sieht man mit einem Blick das zahllose Sternengewimmel, erkennt Körper und Welten im weiten Raume. In solchem Augenblick schaudert der entsetzte Sünder und hat nichts, auf das er sich stützen könnte, es ist, als sänke er tief in eine unendliche Leere. Aber der Fromme birgt sein Haupt in Gottes Schoß und ergibt sich ihm wie ein Kind: „Dein Wille geschehe mit mir.“

Doch dieser Sterbende hatte nicht eines Kindes Sinn. Er fühlte, dass er Mann war. Er schauderte nicht wie der Sünder, er wusste, er war ein Rechtgläubiger. Die Gesetze der Religion hatte er in all ihrer Strenge erfüllt. Millionen, wusste er, mussten den breiten Weg der Verdammnis beschreiten; mit Schwert und Feuer hätte er ihren Leib hier zerstören mögen, wie ihre ganze Seele es bereits war und ewig bleiben würde! Sein Weg ging nun gen Himmel, wo ihm die Gnade die Tore öffnen würde, die verheißene Gnade.

Und die Seele ging mit dem Engel des Todes, aber einmal noch blickte sie zurück zu dem Lager, wo ihre irdische Hülle in dem weißen Totenhemd lag. Ein fremder Abdruck ihres Ich. – Und sie flogen und sie gingen – es war wie in einer mächtigen Halle und doch wie in einem Walde. Die Natur war beschnitten, gespannt, aufgebunden und in Reihen gestellt, verkünstelt, wie in den alten französischen Gärten. Es war eine Maskerade.

„So ist das Menschenleben“ sagte der Engel des Todes. Alle Gestalten waren mehr oder weniger vermummt. Es waren nicht immer die edelsten und mächtigsten, die mit Samt und Gold bekleidet waren, und es waren nicht die niedrigsten und geringsten, die in den Armeleutekleidern steckten. – Es war eine wunderliche Maskerade.

Ganz besonders seltsam war es zu sehen, wie jeder unter seinen Kleidern sorgfältig etwas vor dem anderen verbarg; aber der eine riss am anderen, bis es zum Vorschein kam, und da sah man den Kopf eines Tieres hervorkommen; bei dem einen war es ein grinsender Affe, bei einem anderen ein hässlicher Ziegenbock, eine feuchte Schlange oder ein matter Fisch.

Es war das Tier, das wir alle in uns tragen, das Tier, das in jedem Menschen mit ihm zugleich wächst. und es hüpfte und sprang und wollte heraus, aber jeder hielt die Kleider fest darüber. Die anderen jedoch zerrten sie beiseite und riefen: „Siehst Du, sieh, das ist sie.“ Und einer entblößte des anderen Erbärmlichkeit.

„Und welches Tier war in mir?“ fragte die wandernde Seele. Und der Engel des Todes zeigte auf eine stolze Gestalt vor ihnen, um deren Haupt eine buntschillernde Glorie sich zeigte. Aber am Herzen des Mannes verbargen sich die Füße des Tieres, eines Pfauen Füße. Der Glorienschein war nur des Vogels bunter Schweif.

Und als sie weiter wanderten, schrien große Vögel widerlich kreischend von den Zweigen der Baume. Mit deutlich vernehmbaren Menschenstimmen kreischten sie: „Du Wanderer des Todes, denkst Du an mich?“ – Das waren alle die bösen Gedanken und Begierden aus den Tagen seines Lebens, die ihm jetzt zuriefen: „Denkst Du an mich?“ – Und die Seele schauderte einen Augenblick, denn sie erkannte die Stimmen, die bösen Gedanken und Begierden, die hier als Zeugen auftraten.

„In unserem Fleisch, in unserer bösen Natur wohnt das Gute nicht“ sagte die Seele, „aber die Gedanken wurden bei mir nicht zu Taten, die Welt hat ihre böse Frucht nicht gesehen!“ Und sie eilte vorwärts, um dem widerlichen Geschrei zu entgehen, aber die großen schwarzen Vögel umschwebten sie rings im Kreise und schrien und kreischten, als solle es über die ganze Welt gehört werden. Sie sprang wie die gejagte Hindin, und bei jedem Schritt stieß sie mit dem Fuße auf scharfe Feuersteine, die die Füße zerschnitten, dass es schmerzte. „Woher kommen diese scharfen Steine? Wie welkes Laub liegen sie auf der Erde.“

„Das ist jedes unvorsichtige Wort, das Du fallen ließest und das Deines Nächsten Herz weit tiefer versehrte, als jetzt die Steine Deinen Fuß.“ – „Das habe ich nicht bedacht!“ sagte die Seele. „Richtet nicht, auf dass Ihr nicht gerichtet werdet!“ erklang es durch die Luft. „Wir haben alle gesündigt!“ sagte die Seele und erhob sich wieder. „Ich habe das Gesetz und das Evangelium gehalten, ich habe getan, was ich tun konnte, ich bin nicht wie die anderen.“

Und sie standen an der Himmelspforte, und der Engel, der Hüter des Eingangs, fragte: „Wer bist Du? Bekenne mir Deinen Glauben und zeige ihn mir in Deinen Taten!“ Ich habe alle Gebote strenge erfüllt. Ich habe mich vor den Augen der Welt gedemütigt, ich habe das Böse und die Bösen gehaßt und verfolgt, sie, die auf dem breiten Weg zur ewigen Verdammnis schreiten, und das will ich noch jetzt mit Feuer und Schwert, wenn ich die Macht dazu habe.“

„Du bist also einer von Mohammeds Bekennern!“ sagte der Engel. „Ich? – Niemals.“ – „Wer zum Schwerte greifet, soll durch das Schwert umkommen, sagt der Sohn! Seinen Glauben hast Du nicht. Bist Du vielleicht ein Sohn Israels, der mit Moses spricht: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ein Sohn Israels, dessen eifernder Gott nur Deines Volkes Gott ist?“

„Ich bin ein Christ!“ – „Das erkenne ich weder in Deinem Glauben noch in Deinen Taten. Christi Lehre ist Versöhnung, Liebe und Gnade.“ – „Gnade!“ erklang es durch den unendlichen Raum und die Himmelspforte öffnete sich und die Seele schwebte der offenen Herrlichkeit entgegen. Aber das Licht, das herausströmte, war so blendend, so durchdringend, dass die Seele zurückwich wie vor einem gezogenen Schwerte. Die Töne erklangen so weich und ergreifend, wie keine irdische Zunge es wiedergeben kann, und die Seele bebte und beugte sich tiefer und immer tiefer.

Doch die himmlische Klarheit durchdrang sie und sie fühlte und empfand, was sie niemals zuvor gefühlt hatte, die Bürde ihres Hochmutes, ihrer Härte und Sünde. – Es wurde licht in ihr. „Was ich Gutes tat in der Welt, das tat ich, weil ich nicht anders konnte, aber das Böse – das kam aus mir selbst!“ Und die Seele fühlte sich von dem reinen, himmlischen Lichte geblendet; ohnmächtig versank sie, so schien es ihr, in sich selbst verkrümmt in die Tiefe. Gebeugt, unreif für das Himmelreich und mit den Gedanken bei dem strengen, gerechten Gott, wagte sie nicht hervorzustammeln: „Gnade.“

Und nun war die Gnade da, die nicht erwartete Gnade. Gottes Himmel war überall im unendlichen Raum, Gottes Liebe durchströmte ihn in unerschöpflicher Fülle. „Werde heilig, herrlich, liebreich und ewig, o Menschenseele!“ klang es und sang es. Und alle, alle sollten wir an unseres irdischen Lebens letztem Tage, wie die Seele hier, zurückbeben vor des Himmelreichs Glanz und Herrlichkeit, sollten uns beugen und tief und demütig niedersinken und doch getragen von seiner Liebe, seiner Gnade, aufrecht erhalten werden, schwebend in neuen Bahnen, geläutert, edler und besser, und immer näher des Lichtes Herrlichkeit, bis wir, von ihm gestärkt, Kraft erhalten, um zur ewigen Klarheit emporzusteigen.

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Hintergründe zum Märchen „Der letzte Tag“

„Der letzte Tag“ ist ein Märchen von Hans Christian Andersen, einem dänischen Schriftsteller, der vor allem für seine Sammlungen von Märchen wie „Die kleine Meerjungfrau“, „Das hässliche Entlein“ und „Die Schneekönigin“ bekannt ist. Andersens Geschichten sind oft moralisch und lehrreich, und sie sind sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen beliebt. „Der letzte Tag“ ist ein eher unbekanntes Werk Andersens, aber es teilt viele der Themen und Motive, die in seinen bekannteren Geschichten zu finden sind.

Der historische und kulturelle Hintergrund der Geschichte liegt im 19. Jahrhundert in Dänemark, einer Zeit, in der Religion und Glaube eine wichtige Rolle im täglichen Leben spielten. Die Hauptthemen der Geschichte, wie Demut, Selbstreflexion, Gottes Gnade und die Wichtigkeit von Taten im Glauben, spiegeln die christlichen Werte und Überzeugungen wider, die in der Gesellschaft der damaligen Zeit vorherrschten.

Andersens eigene religiöse Überzeugungen könnten ebenfalls eine Rolle bei der Gestaltung der Geschichte gespielt haben. Obwohl er in einer lutherischen Familie aufwuchs, entwickelte Andersen im Laufe seines Lebens eine eher unkonventionelle und persönliche Auffassung von Religion und Glauben. Diese individuelle Sichtweise auf Religion könnte dazu beigetragen haben, dass er eine Geschichte schrieb, die die Bedeutung von Selbstreflexion und persönlicher Verantwortung im Glauben betont.

Insgesamt bietet „Der letzte Tag“ einen Einblick in die religiösen Überzeugungen und kulturellen Werte des 19. Jahrhunderts in Dänemark und zeigt, wie diese Themen in den Werken von Hans Christian Andersen zum Ausdruck kommen. Die Geschichte bleibt heute noch relevant, da sie wichtige Fragen über Moral, Glauben und menschliche Natur aufwirft.

Interpretationen zum Märchen „Der letzte Tag“

„Der letzte Tag“ bietet verschiedene Interpretationen und Lehren, die auf unterschiedliche Aspekte des Lebens und des Glaubens abzielen. Hier sind einige mögliche Interpretationen:

Selbstreflexion und Demut: Die Geschichte betont die Wichtigkeit der Selbstreflexion und Demut, besonders im Angesicht des Todes. Der Protagonist glaubt anfangs, dass er alle religiösen Gesetze erfüllt hat, doch seine Reise offenbart seine wahren Absichten und Taten. Diese Erkenntnis führt dazu, dass er seine eigene Sündhaftigkeit akzeptiert und sich vor Gott demütigt.

Gottes Gnade und Liebe: Der Text zeigt, dass Gottes Gnade und Liebe jedem zugänglich sind, unabhängig von den begangenen Sünden und Fehlern. Die Seele des Protagonisten erhält unerwartete Gnade, wenn sie sich ihrer Unreife für das Himmelreich bewusst wird. Dies unterstreicht die Idee der universellen und bedingungslosen Liebe Gottes.

Die Täuschung äußerer Erscheinungen: Die Maskerade, die der Engel des Todes und die Seele durchqueren, verdeutlicht, dass äußere Erscheinungen oft trügerisch sind. Die Menschen verbergen ihre wahren Absichten und inneren Tiere hinter Masken. Dies kann als Aufruf verstanden werden, sich nicht von äußeren Erscheinungen täuschen zu lassen, sondern tiefer zu blicken, um die wahre Natur eines Menschen zu erkennen.

Die Bedeutung der Taten: An der Himmelspforte wird der Protagonist nach seinem Glauben und seinen Taten befragt. Dies betont die Bedeutung von Handlungen im Leben und im Glauben. Eine Person kann nicht einfach behaupten, fromm zu sein, sondern muss ihre Frömmigkeit durch ihre Handlungen und die Art, wie sie mit anderen interagiert, demonstrieren.

Vergebung und persönliche Transformation: Die Geschichte zeigt, dass Vergebung und persönliche Transformation möglich sind, selbst wenn eine Person von ihren eigenen Sünden und Fehlern geplagt ist. Durch Gottes Liebe und Gnade kann die Seele des Protagonisten geläutert und erneuert werden, um schließlich zur ewigen Klarheit emporzusteigen.

Insgesamt bietet „Der letzte Tag“ eine eindrucksvolle Darstellung von Tod, Glauben und Selbstreflexion und fordert die Leser auf, über ihre eigenen Absichten, Taten und Beziehung zu Gott nachzudenken.

Zusammenfassung der Handlung

In „Der letzte Tag“ von Hans Christian Andersen geht es um den heiligsten aller Lebenstage – den Todestag. Die Geschichte erzählt von einem strenggläubigen Mann, der glaubt, alle Gesetze der Religion erfüllt zu haben. Als der Tod kommt, begleitet die Seele des Mannes den Engel des Todes auf einer Reise, die die wahren Absichten und Taten des Mannes offenbart.

Die beiden durchqueren eine seltsame Maskerade, in der jeder Mensch ein Tier in sich verbirgt. Die Seele erkennt, dass sie nicht so rein ist, wie sie dachte, und begegnet den bösen Gedanken und Begierden ihres Lebens. An der Himmelspforte wird ihr Glaube auf die Probe gestellt, und sie erkennt, dass sie weder durch ihren Glauben noch durch ihre Taten als wahrer Christ erscheint.

Als die Seele vor der blendenden Klarheit des Himmels zurückweicht, erkennt sie ihre eigene Sündhaftigkeit und Unreife für das Himmelreich. In diesem Moment der Demut und Erkenntnis wird ihr unerwartete Gnade zuteil. Gottes Liebe durchdringt den Raum, und die Seele wird aufgefordert, heilig, herrlich, liebreich und ewig zu werden.

Die Geschichte lehrt uns, dass wir alle am Ende unseres irdischen Lebens vor der Herrlichkeit des Himmels zurückbeben und uns demütig beugen sollten. Durch Gottes Liebe und Gnade können wir jedoch gestärkt und geläutert werden, um schließlich zur ewigen Klarheit emporzusteigen.


Informationen für wissenschaftliche Analysen

Kennzahl
Wert
ÜbersetzungenDE, EN, DA, ES, NL
Lesbarkeitsindex nach Amstad75.1
Lesbarkeitsindex nach Björnsson36.3
Flesch-Reading-Ease Index61.6
Flesch–Kincaid Grade-Level8.4
Gunning Fog Index9.5
Coleman–Liau Index12
SMOG Index11.1
Automated Readability Index9.2
Zeichen-Anzahl7.970
Anzahl der Buchstaben6.328
Anzahl der Sätze85
Wortanzahl1.292
Durchschnittliche Wörter pro Satz15,20
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben273
Prozentualer Anteil von langen Wörtern21.1%
Silben gesamt1.982
Durchschnittliche Silben pro Wort1,53
Wörter mit drei Silben158
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben12.2%
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