Vorlesezeit für Kinder: 6 min
Ja, nach Jahrtausenden kommen sie auf den Flügeln des Dampfes durch die Luft über das Weltmeer. Amerikas junge Einwohner besuchen das alte Europa. Sie kommen zu den Denkmälern hier und zu unserer versunkenen Pracht, so wie wir heute nach Südasien wandern, um dessen bröckelnde Herrlichkeiten zu sehen.
Nach Jahrtausenden kommen sie. Themse, Donau und Rhein rollen noch. Der Montblanc steht mit seinem Schneegipfel, die Nordlichter schimmern über den Ländern des Nordens, aber Geschlecht auf Geschlecht wird zu Staub, die Mächtigen des Augenblicks werden vergessen, wie es schon jetzt diejenigen sind, die unter dem Hügel dort schlummern auf dem der wohlhabende Mehlhändler, dem der Grund und Boden gehört, sich eine Bank hat zimmern lassen um dort sitzen und über die flachen, wogenden Kornfelder hinschauen zu können.
„Nach Europa“ heißt es bei Amerikas jungem Geschlecht, „nach der Väter Land, dem herrlichen Lande der Erinnerung und der Fantasie, Europa“. Das Luftschiff kommt. Es ist überfüllt mit Reisenden, denn die Fahrt geht geschwinder als zur See. Der elektromagnetische Draht unter dem Weltmeer hat schon telegraphiert, wie groß die Luftkarawane ist.
Schon kommt Europa in Sicht, es sind Irlands Küsten, die sich zeigen, aber die Passagiere schlafen noch. Sie wollen erst geweckt werden, wenn sie über England sind. Dort betreten sie Europas Erde in Shakespeares Land, wie es die Söhne des Geistes heißen. Das Land der Politik, das Land der Maschinen, wie es andere nennen.
Einen ganzen Tag wird hier Aufenthalt genommen, so viel Zeit widmet das eilfertige Geschlecht dem großen England und Schottland. Dann geht die Fahrt durch den Kanaltunnel nach Frankreich, Karls des Großen und Napoleons Land. Moliere wird genannt, die Gelehrten sprechen von einer klassischen und romantischen Schule im fernen Altertum, und von Helden, Dichtern und Gelehrten, die unsere Zeit nicht kennt, die aber auf Europas Krater, Paris, geboren werden sollen.
Der Luftdampfer fliegt über das Land hin, von wo Kolumbus ausging, wo Cortez geboren wurde und wo Calderon Dramen in wiegenden Strophen sang. Herrliche schwarzäugige Frauen wohnen noch in den blühenden Tälern und in uralten Gesängen gedenkt man des Cid und der Alhambra. Durch die Luft über das Meer nach Italien, wo das alte, ewige Rom lag. Es ist ausgelöscht, die Campagne ist eine Wüste. Von der Peterskirche wird ein einsamer Mauerrest gezeigt, aber man zweifelt an seiner Echtheit.
Nach Griechenland, um eine Nacht in dem Luxushotel auf der Spitze des Olymps zu schlafen, dann ist man dort gewesen. Die Fahrt gebt auf den Bosporus zu, um dort einige Stunden zu ruhen und die Stätte zu sehen, wo Byzanz einst lag. Ärmliche Fischer spannen ihre Netze dort, wo die Sage von den Gärten des Harems in der Zeit der Türken erzählt. Überreste von mächtigen Städten an der breit dahinfließenden Donau, die unsere Zeit nicht kennt, werden überquert, aber hier und da – über Stätten reicher Erinnerungen, den kommenden, die die Zeit noch gebiert – hier und da senkt sich die Luftkarawane und hebt sich wieder.
Dort unten liegt Deutschland – das einmal vom dichtesten Netz von Eisenbahnen und Kanälen überspannt war, das Land, wo Luther sprach, Goethe sang und Mozart in seiner Zeit der Töne Zepter trug. Große Namen leuchteten dort in Wissenschaft und Kunst, Namen, die wir noch nicht kennen. Eines Tages Aufenthalt für Deutschland und einen Tag für den Norden, für Oerstedts und Linnés Vaterland, und für Norwegen, der alten Helden und jungen Nordmänner Land. Island wird auf dem Heimwege mitgenommen. Die Geiser kochen nicht mehr, der Hekla ist erloschen, aber die Felseninsel, der Saga ewige Steintafel, steht stark mitten im brausenden Meer.
„In Europa gibt es viel zu sehen“ sagt der junge Amerikaner. „Wir haben es in acht Tagen gesehen, und das lässt sich recht gut schaffen, wie der große Reisende“ – ein Name wird genannt, der der kommenden Zeit angehört – In seinem berühmten Werk, „Europa in acht Tagen“ bewiesen hat.“
Hintergründe zum Märchen „Nach Jahrtausenden“
„Nach Jahrtausenden“ ist ein eher ungewöhnliches Märchen von Hans Christian Andersen, da es nicht die typischen Elemente von Märchen wie Magie, Fantasiewesen oder Prinzessinnen enthält. Stattdessen beschreibt das Märchen eine visionäre Zukunft, in der Menschen auf schnelle und bequeme Weise von einem Kontinent zum anderen reisen können. Die Geschichte vermittelt mehrere Botschaften und Hintergründe:
Technologische Entwicklung: Das Märchen beschreibt die Fortschritte in der Technologie und Kommunikation, wie Luftschiffe und Unterseekabel, die Menschen ermöglichen, schnell von einem Ort zum anderen zu gelangen. Diese Vorhersage von Andersen war bemerkenswert, da sie zu einer Zeit geschrieben wurde, in der solche Technologien noch nicht entwickelt waren.
Globalisierung: Die Geschichte zeigt die Auswirkungen der Globalisierung und die wachsende Interdependenz zwischen verschiedenen Ländern und Kulturen. Die Charaktere im Märchen sind bestrebt, die Welt zu erkunden und andere Kulturen kennenzulernen. Andersen zeigt auch, wie verschiedene Länder ihre eigenen kulturellen Schätze und Reichtümer besitzen.
Kritik am Massentourismus: Das Märchen enthält eine kritische Betrachtung des Massentourismus und der Art und Weise, wie Menschen durch ihre Reisen von Ort zu Ort hetzen, ohne wirklich die Zeit zu nehmen, die Schönheit und die Geschichte der Orte, die sie besuchen, zu würdigen. Dies wirft die Frage auf, wie viel wir wirklich von einem Ort und seiner Kultur erfahren können, wenn wir nur kurz dort verweilen.
Vergänglichkeit und Erinnerung: Das Märchen thematisiert auch die Vergänglichkeit von Ruhm, Macht und menschlichen Errungenschaften. Andersen zeigt, wie die mächtigen Menschen und Städte der Vergangenheit in der Zukunft vergessen oder nur noch als Ruinen existieren können. Diese Botschaft erinnert uns daran, dass alles, was wir schaffen, eines Tages vergehen wird.
Obwohl „Nach Jahrtausenden“ nicht zu Andersens bekanntesten Werken zählt, liefert es eine interessante Vision der Zukunft, die sowohl auf technologische Entwicklungen als auch auf gesellschaftliche Veränderungen hinweist. Es zeigt auch, wie weit Andersen in seinen Erzählungen über die Grenzen traditioneller Märchen hinausging.
Interpretationen zum Märchen „Nach Jahrtausenden“
Das Märchen „Nach Jahrtausenden“ von Hans Christian Andersen kann auf verschiedene Weise interpretiert werden. Hier sind einige mögliche Interpretationen der Geschichte:
Kritik am Tourismus: Das Märchen zeigt die Reisenden, die sich nur kurz in jedem Land aufhalten, um möglichst viel in kürzester Zeit zu sehen. Dies kann als Kritik am oberflächlichen Tourismus und der Tendenz vieler Menschen verstanden werden, die Welt in einer hastigen und oberflächlichen Art und Weise zu erkunden, ohne sich Zeit für ein tieferes Verständnis der Kulturen und Geschichte der besuchten Orte zu nehmen.
Die Bedeutung der Vergangenheit: Die Geschichte betont die Schönheit und den Reichtum der verschiedenen europäischen Länder, die von den Amerikanern besucht werden. Diese Betonung kann als ein Plädoyer für die Wertschätzung und den Erhalt der Vergangenheit und des kulturellen Erbes gesehen werden.
Veränderung und Vergänglichkeit: Das Märchen zeigt die Vergänglichkeit der menschlichen Errungenschaften und erinnert uns daran, dass die mächtigen Städte und Kulturen der Vergangenheit im Laufe der Zeit zerfallen oder vergessen werden können. Diese Botschaft ermutigt uns, demütig zu sein und zu erkennen, dass auch unsere eigenen Errungenschaften vergänglich sind.
Die Kraft der Fantasie: Obwohl die Geschichte einen kritischen Blick auf den Massentourismus und die Vergänglichkeit von Ruhm und Macht wirft, zeigt sie auch Andersens unglaubliche Vorstellungskraft und seine Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken. Seine visionäre Darstellung von Luftschiffen und globaler Vernetzung zeigt, dass er bereits im 19. Jahrhundert das Potenzial von Technologie und Kommunikation erkannte.
Die Suche nach Identität: Die jungen Amerikaner in der Geschichte suchen nach ihren Wurzeln in Europa und wollen mehr über ihre Vorfahren erfahren. Dies kann als eine Reflexion über die Suche nach Identität und der Bedeutung von Herkunft in einer globalisierten Welt verstanden werden.
Zusammenfassend zeigt „Nach Jahrtausenden“ Andersens Fähigkeit, komplexe und vielschichtige Geschichten zu erzählen, die sich sowohl mit zeitgenössischen Fragen als auch mit zeitlosen menschlichen Themen befassen. Die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten zeigen, wie relevant dieses Märchen auch heute noch ist.
Zusammenfassung der Handlung
„Nach Jahrtausenden“ ist ein Märchen von Hans Christian Andersen, das eine visionäre Zukunft von Reisen und Tourismus beschreibt. In der Geschichte besuchen Amerikaner in Luftschiffen Europa, um die historischen Stätten und kulturellen Reichtümer des Kontinents zu erkunden. Die Reisenden verbringen jeweils nur einen Tag in jedem Land, wie zum Beispiel im Vereinigten Königreich, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland, der Türkei, Deutschland und den nordischen Ländern. Sie nehmen sich nicht genug Zeit, um die Kulturen und die Geschichte der besuchten Orte wirklich zu schätzen oder zu verstehen.
Die Geschichte zeigt die Vergänglichkeit von Ruhm, Macht und menschlichen Errungenschaften, indem sie darauf hinweist, dass die mächtigen Städte und Kulturen der Vergangenheit in der Zukunft vergessen oder nur noch als Ruinen existieren können. Sie wirft auch Fragen über die Auswirkungen von Massentourismus und Globalisierung auf und stellt die Frage, wie viel wir wirklich von einem Land und seiner Kultur lernen können, wenn wir nur kurz dort verweilen. „Nach Jahrtausenden“ ist eine faszinierende Vision der Zukunft, die sowohl die technologischen Entwicklungen als auch die gesellschaftlichen Veränderungen zeigt, und verdeutlicht, wie weit Andersen in seinen Erzählungen über die Grenzen traditioneller Märchen hinausging.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Übersetzungen | DE, EN, DA, ES, IT |
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 64.3 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 43.5 |
Flesch-Reading-Ease Index | 47.7 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 11.3 |
Gunning Fog Index | 10.5 |
Coleman–Liau Index | 12 |
SMOG Index | 12 |
Automated Readability Index | 12 |
Zeichen-Anzahl | 4.009 |
Anzahl der Buchstaben | 3.233 |
Anzahl der Sätze | 33 |
Wortanzahl | 629 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 19,06 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 154 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 24.5% |
Silben gesamt | 1.039 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,65 |
Wörter mit drei Silben | 107 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 17% |