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Es war einmal ein reicher König, der hatte drei Töchter, die gingen alle Tage im Schlossgarten spazieren. Und der König, der ein großer Liebhaber von allerhand schönen Bäumen war, liebte einen Baum ganz besonders, so dass er denjenigen, der ihm einen Apfel davon pflückte, hundert Klafter tief unter die Erde wünschte.
Als es nun Herbst war, da wurden die Äpfel an dem Baum so rot wie Blut. Die drei Töchter gingen alle Tage unter den Baum und sahen zu, ob nicht der Wind einen Apfel heruntergeschlagen hätte, aber sie fanden ihr Lebtag keinen, und der Baum saß so voll, als ob er brechen wollte, und die Zweige hingen bis auf die Erde herab. Da gelüstete es die jüngste Königstochter gewaltig, und sie sagte zu ihrer Schwester: „Unser Vater, der hat uns viel zu lieb, als dass er uns verwünschen würde. Ich glaube, das sagt er nur wegen der fremden Leute.“
Und das Kind pflückte einen ganz dicken Apfel ab und sprang vor seine Schwestern her und sagte: „Ah, nun schmeckt mal, meine lieben Schwestern, ich hab mein Lebtag noch nicht so was Schönes gegessen.“ Da bissen die beiden anderen Königstöchter auch in den Apfel, und da versanken sie alle drei tief unter die Erde, dass kein Hahn mehr nach ihnen krähte.
Als es nun Mittag wurde, da wollte der König sie zu Tische rufen, aber sie waren nirgends zu finden. Er suchte sie überall, im Schloss und im Garten, aber er konnte sie nicht finden. Da wurde er sehr betrübt und ließ das ganze Land aufbieten, und der, der ihm seine Töchter wiederbrächte, der sollte eine davon zur Frau haben.
Da gingen nun so viele junge Leute über Feld und suchten mit allen Kräften und über alle Maßen, denn jeder hatte die drei Kinder gern gehabt, weil sie gegen jedermann so freundlich und auch schön von Angesicht gewesen waren. Und es zogen auch drei Jägerburschen aus, und als sie wohl an die acht Tage gewandert waren, da kamen sie zu einem großen Schloss, da waren so hübsche Stuben drin, und in einem Zimmer war ein Tisch gedeckt, darauf standen so süße Speisen, die waren noch warm und dampften; aber in dem ganzen Schloss war kein Mensch weder zu hören noch zu sehen.
Da warteten sie noch einen halben Tag, und die Speisen blieben immer warm und dampften. Doch dann wurden sie so hungrig, dass sie sich an den Tisch setzten und mit großem Appetit aßen. Sie machten miteinander aus, sie wollten auf dem Schloss wohnen bleiben, und sie wollten darum losen, dass einer im Haus bleiben und die beiden anderen die Töchter suchen sollten. Das taten sie auch, und das Los traf den ältesten.
Am nächsten Tag gingen die zwei jüngsten auf die Suche, und der älteste musste zu Hause bleiben. Am Mittwoch kam so ein kleines Männchen, das um ein Stückchen Brot bat. Da nahm der älteste von dem Brote, das er dort gefunden hatte, schnitt ein Stück rund um das Brot weg und wollte ihm das geben. Er reichte es dem kleinen Männchen hin, doch dieses ließ das Stück fallen und sagte zu dem Jägerburschen, er solle es aufheben und ihm wiedergeben.
Das wollte er auch tun und bückte sich, aber da nahm das kleine Männchen einen Stock, packte ihn bei den Haaren und gab ihm tüchtige Schläge. Am anderen Tag, da ist der zweite zu Hause geblieben, dem erging es nicht besser. Als die beiden anderen am Abend nach Hause kamen, da sagte der älteste: „Na, wie ist es dir ergangen?“ – „Oh, mir ist es schlecht ergangen.“ Da klagten sie einander ihre Not, aber dem jüngsten sagten sie nichts davon, denn den konnten sie gar nicht leiden und hatten ihn immer den dummen Hans genannt, weil er nicht sonderlich weltklug war.
Am dritten Tag blieb der jüngste zu Haus. Da kam das kleine Männchen wieder und hielt um ein Stückchen Brot an. Und wie er es ihm nun gegeben hatte, ließ er es wieder fallen und sagte, er möchte doch so gut sein und ihm das Stückchen wieder geben. Da sagte Hans zu dem kleinen Männchen: „Was! Kannst du das Stück nicht selber aufheben?
Gibst du dir um deine tägliche Nahrung nicht einmal so viel Mühe, dann bist du auch nicht wert, dass du es isst!“ Da wurde das Männchen böse und sagte, er müsste es tun; Hans aber, nicht faul, nahm mein liebes Männchen und drosch es tüchtig durch. Da schrie das Männchen ganz laut und rief: „Hör auf, hör auf, und lass mich los, dann will ich dir auch sagen, wo die Königstöchter sind.“
Wie Hans das hörte, schlug er nicht mehr, und das Männchen erzählte, er sei ein Erdmännchen, und solcher wären mehr als tausend, er möge nur mit ihm gehen, dann wolle er ihm auch zeigen, wo die Königstöchter wären. Da zeigte er ihm einen tiefen Brunnen, in dem aber kein Wasser mehr war. Und da sagte das Männchen, er wisse wohl, dass seine Gesellen es nicht ehrlich mit ihm meinten, und wenn er die Königskinder erlösen wolle, dann müsse er es alleine tun.
Die beiden anderen Brüder wollten wohl auch gern die Königstöchter wiederhaben, aber sie wollten sich deswegen keiner Mühe und Gefahr unterziehen. Um die Töchter zu erlösen, müsse er einen großen Korb nehmen, sich mit einem Hirschfänger und einer Schelle hineinsetzen und sich herunterwinden lassen. Unten seien drei Zimmer. In jedem sitze ein Königskind und habe einen Drachen mit vielen Köpfen zu kraulen: denen müsste er die Köpfe abschlagen.
Als das Erdmännchen das alles gesagt hatte, verschwand es. Als es Abend war, da kamen die beiden anderen und fragten ihn, wie es ihm ergangen sei. Da sagte er: „Oh, soweit gut,“ und er habe keinen Menschen gesehen, außer am Mittag, da sei so ein kleines Männchen gekommen, das habe um ein Stückchen Brot gebeten, und als er es ihm gegeben habe, ließ das Männchen es fallen und sagte, er möge es ihm wieder aufheben. Und wie er das nicht habe tun wollen, da fing es an zu drohen. Das aber verstand er unrecht und verprügelte das Männchen. Da habe es ihm erzählt, wo die Königskinder seien.
Da ärgerten sich die beiden anderen Jägerburschen so sehr, dass sie gelb und grün wurden. Am anderen Morgen da gingen sie zusammen an den Brunnen und machten Lose, wer sich zuerst in den Korb setzen sollte. Das Los fiel auf den ältesten, er musste sich hineinsetzen und die Schelle mitnehmen. Da sagte er: „Wenn ich schelle, müsst ihr mich wieder geschwind heraufwinden.“ Er war nur kurz unten, da schellte es schon, und die zwei anderen Brüder wanden ihn wieder herauf.
Da setzte sich der zweite hinein: der machte es geradeso. Nun kam die Reihe an den jüngsten, der sich ganz hinunterwinden ließ. Als er aus dem Korb gestiegen war, nahm er seinen Hirschfänger, ging zur ersten Tür und lauschte: da hörte er den Drachen ganz laut schnarchen. Er machte langsam die Tür auf. Da saß eine Königstochter, die hatte auf ihrem Schoß neun Drachenköpfe liegen und kraulte sie. Da nahm er seinen Hirschfänger und hieb zu, und neun Köpfe waren ab.
Die Königstochter sprang auf und fiel ihm um den Hals und küsste ihn von Herzen. Dann nahm sie einen Schmuck, den sie auf ihrer Brust trug und der von altem Golde war, und hängte ihn dem jungen Jäger um. Da ging er auch zu der zweiten Königstochter, die einen Drachen mit sieben Köpfen kraulen musste. Und sie erlöste er auch.
Dann erlöste er auch die jüngste, die einen Drachen mit vier Köpfen kraulen musste. Die drei Schwestern umarmten und küssten sich voller Freude, ohne aufzuhören. Nun schellte der jüngste Bruder daraufhin so laut, bis sie es droben hörten. Da setzte er die Königstöchter eine nach der anderen in den Korb und ließ sie alle drei hinaufziehen. Wie aber nun die Reihe an ihn kommt, fallen ihm die Worte des Erdmännchens wieder ein, dass es seine Gesellen mit ihm nicht gut meinten.
Da nahm er einen großen Stein, der auf der Erde lag, und legte ihn in den Korb. Als der Korb bis etwa zur Mitte heraufgezogen war, schnitten die falschen Brüder oben den Strick durch, dass der Korb mit den Steinen auf den Grund fiel, und nun meinten sie, er wäre tot. Sie liefen mit den drei Königstöchtern fort und ließen sich von ihnen versprechen, dass sie ihrem Vater sagen sollten, die beiden ältesten Brüder hätten sie erlöst. So kamen sie zum König, und ein jeder begehrte eine Königstochter zur Frau.
Unterdes ging der jüngste Jägerbursche ganz betrübt in den drei Kammern umher. Er dachte, dass er nun wohl sterben müsse. Da sah er an der Wand eine Flöte hängen, und sagte: „Warum hängst du denn da? Hier kann ja keiner lustig sein!“ Er besah sich auch die Drachenköpfe. Dann sagte er: „Ihr könnt mir auch nicht helfen!“ Und er ging auf und ab spazieren, dass der Erdboden davon ganz glatt wurde. Und auf einmal, da kriegte er andere Gedanken, nahm die Flöte von der Wand und blies ein Stückchen darauf. Und plötzlich kam bei jedem Ton, den er blies, ein Erdmännchen hervor. Er blies so lange, bis das ganze Zimmer voller Erdmännchen war.
Die fragten alle, was sein Begehren wäre. Da sagte er, er wolle wieder nach oben ans Tageslicht. Da fasste jeder an einem seiner Kopfhaare, und so flogen sie mit ihm zur Erde hinauf. Wie er oben war, ging er gleich zum Königsschloss, wo gerade die Hochzeit mit der einen Königstochter sein sollte. Und er ging auf das Zimmer, wo der König mit seinen drei Töchtern saß. Wie ihn da die Kinder sahen, da wurden sie ohnmächtig. Da wurde der König sehr böse, und ließ ihn gleich ins Gefängnis werfen, weil er meinte, er hätte den Kindern ein Leid angetan.
Als aber die Königstöchter wieder zu sich gekommen waren, da baten sie ihren Vater, er möchte ihn doch wieder freilassen. Der König fragte sie, warum, aber die Kinder sagten, sie dürften das nicht erzählen. Doch der Vater sagte, sie sollten es dem Ofen erzählen. Dann ging er hinaus, lauschte an der Tür und hörte alles. Da ließ er die beiden Brüder an den Galgen hängen, und dem jüngsten gab er die jüngste Tochter. Und da zog ich ein Paar gläserne Schuhe an, und da stieß ich an einen Stein, da machte es „klink“, da waren sie entzwei.

Hintergründe zum Märchen „Das Erdmännchen“
„Das Erdmännchen“ (KHM 91), auch bekannt als „Dat Erdmänneken“ auf Plattdeutsch, ist ein Märchen aus der Sammlung „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Die Geschichte enthält verschiedene Motive und Elemente aus der europäischen Märchen- und Mythologie-Tradition.
Die Brüder Grimm, Jacob und Wilhelm, sammelten und veröffentlichten im 19. Jahrhundert eine Vielzahl von Märchen, die aus verschiedenen Regionen Deutschlands und Europas stammten. „Das Erdmännchen“ wurde aus dem Paderborner Land in Westfalen aufgezeichnet und von Ludowine von Haxthausen zur Verfügung gestellt. Die Brüder Grimm verglichen dieses Märchen mit anderen Varianten aus verschiedenen Regionen Deutschlands und bemerkten Ähnlichkeiten mit anderen Märchen, wie „Der starke Hans“ (KHM 166) und der Siegfriedsage.
Symbolik und Motive: „Das Erdmännchen“ enthält verschiedene gängige Märchenmotive und Elemente. Dazu gehören die drei Schwestern, die verflucht werden und unter die Erde verschwinden, und die drei Brüder, die auf eine Reise gehen, um sie zu retten. Der jüngste Bruder, der oft in Märchen als Held dargestellt wird, besteht verschiedene Prüfungen und stellt sich den Gefahren, um die Schwestern zu befreien. Das Märchen behandelt Themen wie Betrug, Brüderlichkeit, Mut und Klugheit.
- Der verbotene Apfel: Ein Verweis auf den biblischen Sündenfall; das Brechen eines Verbots führt in eine andere Welt oder in eine Krisensituation.
- Drei Schwestern und drei Brüder: Das Märchen nutzt bewusst die Zahl „drei“, ein klassisches Märchenmotiv, das Prüfungen und Vollständigkeit symbolisiert.
- Heldenreise: Der jüngste Bruder, „Hans“, verkörpert den unterschätzten Helden („Dümmling“-Motiv), der am Ende durch Mut und Geradlinigkeit Erfolg hat.
- Die Drachen: Symbolisieren Gefahren und Herausforderungen, die überwunden werden müssen, um die eigenen Fähigkeiten zu beweisen und erwachsen zu werden.
- Brunnen und Unterwelt: Der Abstieg in den Brunnen ist ein archetypisches Symbol für eine Reise in das Unbewusste oder in die Totenwelt, gefolgt von einer erfolgreichen Rückkehr als gestärkter Held.
Das Märchen enthält auch christliche Motive und eine strenge christliche Moral. Das Männchen prüft die Haltung und Tugend des jüngsten Bruders, indem es um Brot bittet und auf seine Reaktion wartet. Die Brüder Grimm interpretierten dies als eine Aufforderung, das Grundnahrungsmittel Brot nicht erbetteln oder fallenlassen zu sollen, was ihrer strengen christlichen Auffassung entsprach.
Kulturhistorische Einordnung: Die Erzählung passt in das typische Schema europäischer Volksmärchen, die moralische Botschaften wie Ehrlichkeit, Tapferkeit und Selbstüberwindung vermitteln. Sie stellt auch gesellschaftliche Werte und Konflikte des frühen 19. Jahrhunderts dar, etwa die Belohnung der Tugendhaften und Bestrafung der Unehrlichen.
Verwandte Märchen: Es gibt Parallelen zu anderen Grimm-Märchen, insbesondere zu:
„Die drei Federn“ (KHM 63)
„Die goldene Gans“ (KHM 64)
„Der goldene Vogel“ (KHM 57)
Alle diese Märchen teilen ähnliche Motive: ein unterschätzter jüngster Bruder bewährt sich in Prüfungen und triumphiert über seine egoistischen Geschwister. „Das Erdmännchen“ wurde in verschiedenen Variationen und Adaptionen dargestellt, einschließlich der tschechoslowakischen Verfilmung „Vom tapferen Schmied“ (O Statecnem Kovari) aus dem Jahr 1983, die auf einer nahe verwandten Erzählung basiert. Obwohl „Das Erdmännchen“ nicht so bekannt ist wie andere Märchen der Brüder Grimm, bietet es einen interessanten Einblick in die traditionellen Motive und Themen der europäischen Märchenwelt.
Interpretationen zum Märchen „Das Erdmännchen“
Das Märchen beschreibt eine klassische Heldengeschichte, in der der jüngste Sohn, oft unterschätzt und verspottet („der dumme Hans“), durch eine Reihe von Prüfungen und Herausforderungen zu sich selbst findet. Hans repräsentiert hierbei das Unterbewusstsein, das intuitiv richtig handelt. Der tiefe Brunnen und der Abstieg in die Unterwelt stehen symbolisch für den Abstieg in das eigene Innere. Der Kampf mit den Drachen deutet auf die Überwindung innerer Ängste und Konflikte hin. Das Erdmännchen dient als Führer durch diese innere Welt und symbolisiert gleichzeitig verborgene Kräfte des Unbewussten, die aktiviert werden müssen, um Reife und Bewusstheit zu erlangen.
Die beiden älteren Brüder stehen für Oberflächlichkeit, Egoismus und Unehrlichkeit. Ihre Bereitschaft, sich fremden Lorbeer anzueignen, ohne sich einer wirklichen Gefahr zu stellen, wird vom Märchen kritisch dargestellt. Hans hingegen verkörpert die Werte von Aufrichtigkeit, Mut und Einsatzbereitschaft. Die harte Bestrafung der älteren Brüder (Galgen) spiegelt die strenge moralische Botschaft wider, dass Betrug und Hinterlist letztlich zum Scheitern verurteilt sind. Das Märchen lehrt somit, dass der Weg des Mutes und der Integrität – selbst wenn er beschwerlicher ist – der einzig richtige ist und letztlich belohnt wird.
In der Begegnung mit dem Erdmännchen wird deutlich, wie wichtig die Auseinandersetzung mit den eigenen Schattenanteilen (dem kleinen Männchen) ist. Hans gelingt es, diese verborgene Kraft nicht zu unterdrücken, sondern zu integrieren, wodurch er an Macht und Wissen gewinnt. Das Hinabsteigen in den Brunnen steht hier symbolisch für die notwendige Konfrontation mit den eigenen dunklen Anteilen, die verdrängt oder vergessen wurden. Erst nachdem Hans diese Konfrontation erfolgreich bestanden hat, gelingt ihm der Aufstieg und die Rückkehr ins Leben – ein Prozess, den C. G. Jung als „Individuation“ beschreibt: die Integration des Unbewussten zur Ganzheit der Persönlichkeit.
„Das Erdmännchen“ (KHM 91), auch bekannt als „Dat Erdmänneken“ auf Plattdeutsch, bietet verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, die auf den Motiven und Themen des Märchens basieren. Hier sind einige Interpretationsansätze:
Menschliche Reifung und Entwicklung: Das Märchen kann als Darstellung von Stationen menschlicher Reifung und Entwicklung gesehen werden. Die verschiedenen Prüfungen, denen der jüngste Bruder ausgesetzt ist, repräsentieren Herausforderungen und Erfahrungen, die zur persönlichen Entwicklung und Reife beitragen. Sein Erfolg zeigt die Bedeutung von Mut, Klugheit und Standhaftigkeit in schwierigen Situationen.
Christliche Moral: „Das Erdmännchen“ kann auch als eine Geschichte mit einer strengen christlichen Moral interpretiert werden. Die Episode, in der das Männchen den jüngsten Bruder prüft, indem es um Brot bittet, zeigt die Wichtigkeit von Nächstenliebe, Großzügigkeit und Demut. Das Märchen betont die Bedeutung von moralischen Werten im Zusammenhang mit christlichen Prinzipien.
Die Rolle des Jüngsten: In vielen Märchen wird der jüngste Protagonist als Held dargestellt, der seine älteren Geschwister übertrifft. In „Das Erdmännchen“ ist der jüngste Bruder klug, mutig und erfolgreich in seinen Bemühungen, die Königstöchter zu retten. Diese Interpretation zeigt die Bedeutung von innerer Stärke und Integrität, die über körperliche Stärke oder Alter hinausgeht.
Verrat und Gerechtigkeit: Das Märchen zeigt auch die Themen von Verrat und Gerechtigkeit. Die älteren Brüder verraten den jüngsten Bruder, indem sie ihn im Brunnen zurücklassen und versuchen, sich mit den geretteten Prinzessinnen zu verheiraten. Am Ende wird ihre Täuschung jedoch aufgedeckt und Gerechtigkeit hergestellt, wenn der jüngste Bruder die Wahrheit enthüllt und die bösen Brüder bestraft werden.
Die Kraft der Zusammenarbeit und der Hilfe anderer: In „Das Erdmännchen“ benötigt der jüngste Bruder die Hilfe des Männchens und der Erdmännchen, um die Prinzessinnen zu retten und an die Oberfläche zurückzukehren. Diese Interpretation betont die Bedeutung von Zusammenarbeit, Hilfe und gegenseitiger Unterstützung, um schwierige Herausforderungen zu bewältigen und Erfolg zu erzielen.
Adaptionen zum Märchen „Das Erdmännchen“
„Das Erdmännchen“ ist ein deutsches Märchen, das von den Brüdern Grimm in Grimms Märchen mit der Märchennummer 91 gesammelt wurde. Es ist als Aarne-Thompson Typ 301A klassifiziert (Die Suche nach den verschwundenen Prinzessinnen). Das Märchen ist im Original auf Plattdeutsch geschrieben uns heißt: „Dat Erdmänneken“. Obwohl „Das Erdmännchen“ (KHM 91) von den Gebrüdern Grimm möglicherweise nicht so bekannt ist wie einige ihrer anderen Märchen, gibt es einige Adaptionen und Variationen, die auf dieser Geschichte basieren. Hier sind einige Beispiele:
Film: Der tschechoslowakische Film „Vom tapferen Schmied“ (O Statecnem Kovari) aus dem Jahr 1983 basiert auf Božena Němcovás Märchen „Der unerschrockene Mikesch“. Es enthält viele Motive und Elemente, die denen im Märchen „Das Erdmännchen“ ähnlich sind, wie die Rettung der entführten Prinzessinnen, die Prüfungen in der Unterwelt und den Verrat am Erdloch. Der Film fügt jedoch auch das Motiv des Riesen ohne Herz hinzu, das in „Das Erdmännchen“ nicht vorkommt, aber im Grimm’schen Märchen „Die Kristallkugel“ zu finden ist.
Literatur: In Ludwig Bechsteins „Deutsches Märchenbuch“ gibt es eine Geschichte namens „Die drei Musikanten“, die einige Ähnlichkeiten mit „Das Erdmännchen“ aufweist. Auch in dieser Geschichte gibt es drei Brüder, die sich auf ein Abenteuer begeben und auf ein Männchen treffen, das ihnen hilft, wenn sie seine Bedingungen erfüllen. Ludwig Bechsteins „Das winzige, winzige Männlein“ In Bechsteins „Neues deutsches Märchenbuch“ gibt es eine weitere Geschichte namens „Das winzige, winzige Männlein“, die Elemente von „Das Erdmännchen“ aufgreift. Auch hier gibt es einen Protagonisten, der auf ein Männchen trifft und auf seine Hilfe angewiesen ist, um ein Abenteuer zu bestehen.
Insgesamt gibt es zwar einige Adaptionen und Variationen von „Das Erdmännchen“, aber im Vergleich zu anderen Grimm’schen Märchen wie „Aschenputtel“ oder „Schneewittchen“ ist die Anzahl der Adaptionen eher begrenzt.
Die Handlung des Märchen
Ein König besitzt einen Giftbaum, dessen Früchte jeden, der von ihnen isst, unter der Erde verschwinden lassen. Seine drei Töchter sind neugierig und wollen prüfen, ob das tatsächlich geschieht. Die jüngste Tochter glaubt nicht daran, denn ihr Vater liebe sie zu sehr, um dies zuzulassen. Doch als sie von den Früchten essen, versinken alle drei Töchter tatsächlich unter der Erde.
Der König ist voller Sorge um seine verschwundenen Töchter und verkündet, dass derjenige, der sie rettet, eine seiner Töchter heiraten darf. Drei Jäger brechen daraufhin auf, um die Prinzessinnen zu finden. Sie gelangen zu einem Schloss, das völlig verlassen scheint, in dem jedoch reichlich Nahrung bereitsteht. Nach einer Mahlzeit beschließen sie, dass einer von ihnen Wache halten soll, während die anderen beiden weiterziehen.
Der älteste Jäger übernimmt als Erster die Wache. Bald taucht ein kleiner Gnom auf und bittet ihn um Brot. Widerwillig gibt der Jäger ihm ein kleines Stück, doch der Gnom verlangt das ganze Brot. Als der Älteste ablehnt, wird er vom Gnom zusammengeschlagen und bewusstlos zurückgelassen, während der Gnom mit dem gesamten Brot verschwindet. Dasselbe Schicksal erleidet auch der zweite Jäger.
Als der dritte Jäger seine beiden bewusstlosen Gefährten entdeckt, stellt er den Gnom zur Rede. Dieser entschuldigt sich für sein Verhalten und bietet ihm als Wiedergutmachung seine Hilfe an. Er führt den Jäger zu einem tiefen, trockenen Brunnen, warnt ihn aber davor, seinen Gefährten zu vertrauen, denn sie könnten ihn verraten.
Trotz der Warnung informiert der jüngste Jäger seine Gefährten, und gemeinsam begeben sie sich zu dem Brunnen. Die beiden älteren Jäger wagen es nicht, in die Tiefe zu steigen, doch der jüngste lässt sich mutig hinab und entdeckt die Königstöchter, die von drei Drachen gefangen gehalten werden – einer mit neun Köpfen, einer mit fünf und einer mit vier. Er besiegt die Drachen, rettet die Prinzessinnen und lässt sie nach oben ziehen. Als er schließlich selbst an der Reihe ist, legen seine Gefährten aus Eifersucht einen Stein in den Korb und schneiden das Seil durch, sodass er zurückbleibt.
In seiner Not findet der Jäger eine Zauberflöte. Als er darauf spielt, erscheinen Elfen und bringen ihn sicher zurück an die Oberfläche. Die Königstöchter berichten dem König die Wahrheit, und dieser lässt die beiden älteren Jäger wegen ihres Verrats hinrichten. Der jüngste Jäger aber darf, als Anerkennung seiner Tapferkeit und Treue, die jüngste Prinzessin heiraten.
Zusammenfassung
„Das Erdmännchen“ (KHM 91) ist ein Märchen der Gebrüder Grimm, das von drei Königstöchtern handelt, die unter die Erde versinken, nachdem sie einen verzauberten Apfel vom Baum ihres Vaters gepflückt haben. Der König verspricht demjenigen, der seine Töchter findet, eine von ihnen zur Frau. Drei Jägersburschen, die Brüder sind, begeben sich auf die Suche nach den verschwundenen Prinzessinnen. Sie kommen in ein Haus, in dem immer warme Speisen stehen, und beschließen, dort zu übernachten. Die Brüder losen aus, dass immer zwei von ihnen die Töchter suchen, während einer zurückbleibt. Die ersten beiden Brüder werden von einem Männchen verprügelt, nachdem sie ihm beim Aufheben von Brot helfen wollten. Der jüngste Bruder jedoch besteht die Prüfung und wird nicht verprügelt, indem er dem Männchen nicht hilft.
Das Männchen zeigt ihm daraufhin einen trockenen Brunnen, in den er hinabsteigen muss, um die Prinzessinnen zu finden. Unten begegnet er drei Drachen, deren Köpfe er abschlagen muss, um die Königstöchter zu befreien. Er berichtet seinen Brüdern von seinem Erfolg, woraufhin sie sich hinablassen, aber sofort wieder hochziehen lassen. Der jüngste Bruder befreit die Prinzessinnen und lässt sie hinaufziehen. Statt sich selbst legt er einen Stein in den Korb, und die beiden älteren Brüder kappen das Seil, um ihn in der Tiefe zurückzulassen. Die beiden bösen Brüder heiraten die Königstöchter, die ihr Geheimnis nicht verraten dürfen. In der Unterwelt findet der jüngste Bruder eine Flöte, die, wenn er darauf spielt, Erdmännchen herbeiruft, die ihn an die Oberfläche bringen. Als er im Schloss ankommt, fallen die Prinzessinnen in Ohnmacht. Der König belauscht sie, als sie ihr Geheimnis einem Ofen anvertrauen, und erfährt die Wahrheit. Die beiden bösen Brüder werden daraufhin hingerichtet, und der jüngste Bruder heiratet die jüngste Königstochter.
Textanalyse des Märchens
Die linguistische Analyse eines Märchens, insbesondere eines von den Gebrüdern Grimm wie „Das Erdmännchen“, kann auf mehreren Ebenen erfolgen, darunter die syntaktische, semantische, morphologische und pragmatische Analyse. Lassen Sie uns einige Aspekte des Märchens beleuchten.
Syntaktische Analyse
Satzstruktur: Die Grammatik der Märchen der Brüder Grimm zeigt oft komplexere Satzstrukturen mit langen Satzgefügen, vielen Nebensätzen und teils archaisch anmutenden Satzkonstruktionen. Diese Strukturen sind typisch für Märchen, die ursprünglich dem mündlichen Erzählen angehören.
Direkte Rede: Die Verwendung direkter Rede ist im Märchen weit verbreitet, da sie Dialoge zwischen Charakteren effektiver und lebendiger macht. Die direkte Rede ist durch Anführungszeichen gekennzeichnet und hebt die Interaktion der Figuren hervor.
Semantische Analyse
Symbolik: Das Märchen ist reich an Symbolen, z.B. der Baum mit den roten Äpfeln (verlockende Gefahr) oder das Erdmännchen (Übernatürlichkeit und magische Intervention). Diese Symbole tragen wesentlich zur Tiefe und den vielschichtigen Bedeutungen des Märchens bei.
Themen: Die zentralen Themen umfassen Gehorsam, Versuchung, Mut und die Belohnung für gute Taten. Das Märchen lehrt moralische Lektionen durch die Konsequenzen der Handlungen der Figuren.
Morphologische Analyse
Wortbildung: Die Märchen der Brüder Grimm enthalten Wörter und Wortformen, die heute oft veraltet wirken. Zusammensetzungen und Ableitungen spielen eine wichtige Rolle, z.B. „Königstochter“ oder „Jägerbursche“.
Flexionen: Die Flexionen des Deutschen, wie die Konjugation der Verben („versanken“, „küssten“) und die Deklination der Substantive, sind gut erkennbar und verweisen auf die Wichtigkeit grammatischer Regeln im Deutschen.
Pragmatische Analyse
Erzählperspektive: Die Erzählung erfolgt aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers, der sowohl die Gedanken und Gefühle der Charaktere beschreibt als auch die Handlung vorantreibt.
Kommunikation: Die Interaktionen zwischen Figuren, insbesondere durch direkte Rede und implizite Machtverhältnisse, sind bedeutend für die Entwicklung der Erzählung. Das Kommunikationsverhalten der Figuren ist typisch dialogisch und für die Situation relevant.
Kulturelle und historische Kontexte
Märchenstil: Der typische Stil von Grimms Märchen, mit klaren Gut-Böse-Kontrasten und wunderlichen Elementen, spiegelt das kulturelle und historische Umfeld wider, in dem sie gesammelt wurden.
Erziehung: Märchen wurden oft erzählt, um moralische oder soziale Lehren zu vermitteln. In diesem Märchen werden die Werte Mut, Intelligenz, Ehrlichkeit und Belohnung für Tapferkeit hervorgehoben.
Fazit
„Das Erdmännchen“ ist nicht nur erzählerisch reichhaltig, sondern zeigt auch die komplexen linguistischen Merkmale von Grimms Märchen. Diese Merkmale tragen dazu bei, dass solche Geschichten langlebig und tief verankert in der deutschen Kultur und Literatur sind. Die Sprache ist sowohl ein Werkzeug der Erzählung als auch ein Träger kultureller Werte und Normen.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Nummer | KHM 91 |
Aarne-Thompson-Uther-Index | ATU Typ 301A |
Übersetzungen | DE, EN, DA, ES, PT, IT, JA, NL, PL, RU, TR, VI, ZH |
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 76.9 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 34.8 |
Flesch-Reading-Ease Index | 65.7 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 8.6 |
Gunning Fog Index | 9.2 |
Coleman–Liau Index | 10.8 |
SMOG Index | 9.8 |
Automated Readability Index | 9 |
Zeichen-Anzahl | 9.816 |
Anzahl der Buchstaben | 7.751 |
Anzahl der Sätze | 94 |
Wortanzahl | 1.717 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 18,27 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 284 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 16.5% |
Silben gesamt | 2.489 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,45 |
Wörter mit drei Silben | 122 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 7.1% |