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Vorzeiten gab es ein Land, wo die Nacht immer dunkel und der Himmel wie ein schwarzes Tuch darüber gebreitet war, denn es ging dort niemals der Mond auf, und kein Stern blinkte in der Finsternis. Bei Erschaffung der Welt hatte das nächtliche Licht ausgereicht. Aus diesem Land gingen einmal vier Bursche auf die Wanderschaft und gelangten in ein anderes Reich, wo abends, wenn die Sonne hinter den Bergen verschwunden war, auf einem Eichbaum eine leuchtende Kugel stand, die weit und breit ein sanftes Licht ausgoß.
Man konnte dabei alles wohl sehen und unterscheiden, wenn es auch nicht so glänzend wie die Sonne war. Die Wanderer standen still und fragten einen Bauer, der da mit seinem Wagen vorbeifuhr, was das für ein Licht sei. „Das ist der Mond,“ antwortete dieser, „unser Schultheiß hat ihn für drei Taler gekauft und an den Eichbaum befestigt. Er muss täglich Öl aufgießen und ihn rein erhalten, damit er immer hell brennt. Dafür erhält er von uns wöchentlich einen Taler.“
Als der Bauer weggefahren war, sagte der eine von ihnen „diese Lampe könnten wir brauchen, wir haben daheim einen Eichbaum, der ebenso groß ist, daran können wir sie hängen. Was für eine Freude, wenn wir nachts nicht in der Finsternis herumtappen!“ „Wisst ihr was?“ sprach der zweite, „wir wollen Wagen und Pferde holen und den Mond wegführen. Sie können sich hier einen anderen kaufen.“ „Ich kann gut klettern,“ sprach der dritte, „ich will ihn schon herunterholen!“
Der vierte brachte einen Wagen mit Pferden herbei, und der dritte stieg den Baum hinauf, bohrte ein Loch in den Mond, zog ein Seil hindurch und ließ ihn herab. Als die glänzende Kugel auf dem Wagen lag, deckten sie ein Tuch darüber, damit niemand den Raub bemerken sollte. Sie brachten ihn glücklich in ihr Land und stellten ihn auf eine hohe Eiche. Alte und junge freuten sich, als die neue Lampe ihr Licht über alle Felder leuchten ließ und Stuben und Kammern damit erfüllte. Die Zwerge kamen aus den Felsenhöhlen hervor, und die kleinen Wichtelmänner tanzten in ihren roten Röckchen auf den Wiesen den Ringeltanz.
Die vier versorgten den Mond mit Öl, putzten den Docht und erhielten wöchentlich ihren Taler. Aber sie wurden alte Greise, und als der eine erkrankte und seinen Tod voraussah, verordnete er, dass der vierte Teil des Mondes als sein Eigentum ihm mit in das Grab sollte gegeben werden. Als er gestorben war, stieg der Schultheiß auf den Baum und schnitt mit der Heckenschere ein Viertel ab, das in den Sarg gelegt ward.
Das Licht des Mondes nahm ab, aber noch nicht merklich. Als der zweite starb, ward ihm das zweite Viertel mitgegeben, und das Licht minderte sich. Noch schwächer ward es nach dem Tod des dritten, der gleichfalls seinen Teil mitnahm, und als der vierte ins Grab kam, trat die alte Finsternis wieder ein. Wenn die Leute abends ohne Laterne ausgingen, stießen sie mit den Köpfen zusammen.
Als aber die Teile des Monds in der Unterwelt sich wieder vereinigten, so wurden dort, wo immer Dunkelheit geherrscht hatte, die Toten unruhig und erwachten aus ihrem Schlaf. Sie erstaunten, als sie wieder sehen konnten: das Mondlicht war ihnen genug, denn ihre Augen waren so schwach geworden, dass sie den Glanz der Sonne nicht ertragen hätten.
Sie erhoben sich, wurden lustig und nahmen ihre alte Lebensweise wieder an. Ein Teil ging zum Spiel und Tanz, andere liefen in die Wirtshäuser, wo sie Wein forderten, sich betranken, tobten und zankten, und endlich ihre Knüppel aufhoben und sich prügelten. Der Lärm ward immer ärger und drang endlich bis in den Himmel hinauf.
Der heilige Petrus, der das Himmelstor bewacht, glaubte, die Unterwelt wäre in Aufruhr geraten, und rief die himmlischen Heerscharen zusammen, die den bösen Feind, wenn er mit seinen Gesellen den Aufenthalt der Seligen stürmen wollte, zurückjagen sollten. Da sie aber nicht kamen, so setzte er sich auf sein Pferd und ritt durch das Himmelstor hinab in die Unterwelt. Da brachte er die Toten zur Ruhe, hieß sie sich wieder in ihre Gräber legen und nahm den Mond mit fort, den er oben am Himmel aufhängte.

Hintergründe zum Märchen „Der Mond“
„Der Mond“ (KHM 175) ist ein Märchen der Brüder Grimm, das erstmals in der 7. Auflage der Kinder- und Hausmärchen im Jahr 1857 erschien. Das Märchen basiert auf Heinrich Pröhles „Das Mondenlicht“ aus seiner Sammlung „Märchen für die Jugend“ von 1854. Wilhelm Grimm fand den Stoff des Märchens so schön altertümlich, dass er in seiner Anmerkung die finnische Nationalepos Kalevala (Rune 47) verglich, in der die Sonne und der Mond gefangen genommen werden. Auch gibt es weitere Märchen aus verschiedenen Kulturen, die sich um die Entführung von Sonne, Mond oder Morgenrot drehen, wie beispielsweise ein russisches Märchen aus der Gegend von Archangelsk.
Die Geschichte von „Der Mond“ beinhaltet Elemente der Mythologie, wie den Mond als Symbol des Lichts und des Lebens sowie den heiligen Petrus als Retter und Vermittler zwischen den Lebenden und den Toten. Der Diebstahl des Mondes und seine Reise in die Unterwelt können als Allegorie für die menschliche Suche nach Wissen, Erleuchtung und Macht gesehen werden. Das Märchen enthält auch sozialkritische Aspekte, indem es zeigt, wie Menschen Macht und Reichtum anhäufen und diese dann auch im Tod mitnehmen wollen. Der Diebstahl des Mondes und das Verlangen nach Geld für sein Leuchten können als Kritik an der Ausbeutung der Natur und der Kommerzialisierung von natürlichen Ressourcen gesehen werden.
Das Märchen hat in verschiedenen Kunstformen, wie Musik, Oper und Literatur, Anklang gefunden. Eine der bekanntesten Bearbeitungen ist Carl Orffs Oper „Der Mond“ von 1937/38, die das Märchen als Grundlage verwendet. In dieser Oper schrieb Orff sowohl die Musik als auch das Libretto und verarbeitete dabei den vollständigen Text des Märchens. Insgesamt ist „Der Mond“ (KHM 175) ein Märchen der Brüder Grimm, das durch seine symbolischen und mythologischen Elemente, seine sozialkritische Dimension und seine künstlerischen Bearbeitungen über die Zeit hinweg an Bedeutung gewonnen hat.
Interpretationen zum Märchen „Der Mond“
„Der Mond“ (KHM 175) ist ein Märchen der Brüder Grimm, das vielschichtige Interpretationen zulässt. Hier sind einige mögliche Interpretationsansätze:
Die Suche nach Wissen und Erleuchtung: Der Diebstahl des Mondes und seine Reise in die Unterwelt können als Allegorie für die menschliche Suche nach Wissen und Erleuchtung gesehen werden. Die Protagonisten wollen die Dunkelheit in ihrem Land überwinden und sind bereit, dafür weit zu gehen. Dies zeigt sowohl das menschliche Streben nach Fortschritt als auch die damit verbundenen Gefahren.
Die Kritik an Gier und Ausbeutung: Das Verlangen der Protagonisten, den Mond zu stehlen und Geld für sein Leuchten zu verlangen, kann als Kritik an der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und der Kommerzialisierung der Natur gesehen werden. Dies zeigt die ethischen Grenzen menschlichen Strebens und hinterfragt die wahren Werte in der Gesellschaft. Die Geschichte kritisiert den menschlichen Hang zur Gier, den Egoismus und die Ignoranz der Gemeinschaft. Die vier Wanderer stehlen den Mond, der eigentlich ein Gemeingut sein sollte, um selbst daraus Profit zu schlagen. Ihre Handlung führt zunächst zu scheinbarem Wohlstand und Glück, aber letztlich zerstört der individuelle Anspruch („jedem ein Teil“) das Gemeinwohl, bis völlige Dunkelheit eintritt. Der Mond, als Symbol für Gemeinschaft und geteilte Güter, verliert seinen Wert, sobald er in Privatbesitz zerlegt wird.
Leben und Tod: Der Mond als Symbol des Lichts und des Lebens kontrastiert mit der Dunkelheit der Unterwelt und den Toten, die durch das Mondlicht erweckt werden. Diese Gegensätze repräsentieren den ewigen Zyklus von Leben und Tod und die Verbindung von Diesseits und Jenseits. Der heilige Petrus als Retter und Vermittler betont die Rolle des Glaubens und der Transzendenz in der menschlichen Existenz. Der Mond als Lichtspender steht für Erkenntnis, Bewusstsein und Aufklärung. Die ursprüngliche Dunkelheit repräsentiert Unwissenheit und Ignoranz. Die vier Männer bringen symbolisch Erkenntnis in ihre Heimat, doch mit dem Tod jedes einzelnen, der Wissen beansprucht und für sich behält, schwindet das Licht der Aufklärung. Erst als der Mond sich im Totenreich wieder zusammensetzt, wachen verdrängte oder unterdrückte Impulse und Triebe (die Toten, die feiern und toben) auf. Erst durch das Eingreifen des „Heiligen Petrus“ – als Vertreter höherer moralischer Instanz – wird Ordnung hergestellt und die Erkenntnis (der Mond) endgültig am Himmel platziert, für alle sichtbar, aber unerreichbar und unverfügbar für egoistische Zwecke.
Die Rolle von Gemeinschaft und Verantwortung: Die Geschichte zeigt auch die Bedeutung von Zusammenarbeit und Gemeinschaft in der Bewältigung von Herausforderungen. Die vier Burschen, die den Mond stehlen, handeln gemeinsam und teilen Verantwortung und Erfolg. Doch die Entscheidung, den Mond mit in ihr Grab zu nehmen, zeigt auch, dass selbst innerhalb einer Gemeinschaft Egoismus und Gier existieren können.
Die Macht der Natur und des Göttlichen: Schließlich zeigt das Märchen die Begrenztheit menschlichen Handelns und die Macht der Natur und des Göttlichen. Der heilige Petrus kann den Mond aus der Unterwelt befreien und an seinen Platz im Himmel zurückbringen, womit die natürliche Ordnung wiederhergestellt wird. Dies betont die Überlegenheit des Göttlichen gegenüber menschlichen Ambitionen. Das Märchen erklärt symbolisch die Phasen des Mondes: Zunächst ist der Mond voll und spendet Licht. Durch menschlichen Eingriff (die Abtrennung einzelner Teile) nimmt das Licht immer mehr ab, bis vollständige Dunkelheit herrscht. Die anschließende Wiedervereinigung der Mondteile in der Unterwelt symbolisiert den Zyklus der Natur. Der Mond steht für Tod und Wiedergeburt, für Dunkelheit und Wiederkehr des Lichts, und verweist auf eine mythologische Vorstellung ewiger Wiederholung und Erneuerung.
Diese Interpretationsansätze zeigen, dass „Der Mond“ (KHM 175) ein Märchen mit einer Fülle von Bedeutungen und symbolischen Schichten ist, die verschiedene Facetten der menschlichen Natur und Existenz thematisieren.
Adaptionen zum Märchen „Der Mond“
Das Märchen „Der Mond“ (KHM 175) von den Gebrüdern Grimm hat mehrere Adaptionen und Bearbeitungen in verschiedenen künstlerischen Formen erfahren. Hier sind einige Beispiele:
Oper: Carl Orffs Oper „Der Mond“ (1939) ist die bekannteste Adaption des Märchens. Orff schrieb sowohl das Libretto als auch die Musik und verarbeitete den vollständigen Text des Märchens, der von einem Erzähler vorgetragen wird. Die Oper hat eine surreale und humorvolle Atmosphäre und verbindet musikalische Elemente aus verschiedenen Stilrichtungen, wie Chor- und Orchestermusik sowie lyrischen Gesang. Die Oper wurde in verschiedenen Ländern aufgeführt und erfreut sich großer Beliebtheit.
Literatur: Das Märchen hat auch in literarischen Adaptionen und Retellings seinen Platz gefunden. Zum Beispiel hat der deutsche Schriftsteller Michael Ende in seinem Buch „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ (1989) Elemente des Märchens verwendet, indem er den Mond als zentrales Symbol der Geschichte einsetzt.
Film und Fernsehen: Obwohl es bisher keine direkte filmische Umsetzung des Märchens „Der Mond“ gibt, sind Elemente der Geschichte in verschiedenen filmischen Adaptionen von Märchen oder thematisch ähnlichen Geschichten eingeflossen. Ein Beispiel ist der Film „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ (1988) von Terry Gilliam, der sich zwar auf die Abenteuer von Baron Münchhausen bezieht, aber auch Motive von Mondreisen und der Suche nach Erleuchtung aufgreift.
Illustrationen und bildende Kunst: In verschiedenen Ausgaben der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm sind Illustrationen zu finden, die das Märchen „Der Mond“ künstlerisch darstellen. Künstler wie Ludwig Emil Grimm, Otto Ubbelohde oder Arthur Rackham haben den Text visuell interpretiert und dabei ihre eigene künstlerische Handschrift eingebracht.
Theater und Puppenspiel: „Der Mond“ hat auch seinen Weg auf die Bühne gefunden, sowohl in Form von Theateraufführungen als auch von Puppenspielen. Diese Adaptionen können von traditionellen Inszenierungen, die dem Originaltext treu bleiben, bis hin zu modernen, experimentellen Interpretationen reichen, die sich mit den Themen des Märchens auf neue und innovative Weise auseinandersetzen.
Diese Beispiele zeigen, dass das Märchen „Der Mond“ (KHM 175) von den Gebrüdern Grimm in verschiedenen künstlerischen Formen adaptiert und weiterhin als Inspiration für neue kreative Werke dient.
Zusammenfassung der Handlung
Im Märchen „Der Mond“ (KHM 175) der Gebrüder Grimm begeben sich vier Burschen aus einem Land ohne Mond auf Wanderschaft. Sie gelangen in ein Land, in dem eine leuchtende Kugel auf einem Eichbaum hängt und nachts Licht ausstrahlt – den Mond. Der Schultheiß des Landes hat den Mond gekauft und gibt ihm täglich Öl, um ihn am Leuchten zu halten, während die Bewohner dafür bezahlen. Die vier Burschen beschließen, den Mond zu stehlen und nehmen ihn mit in ihr Heimatland. Dort hängen sie ihn an einen Eichbaum und verlangen von der Gemeinde ein entsprechendes Entgelt. Als die Burschen alt werden und ihnen klar wird, dass sie bald sterben werden, beschließen sie nacheinander, dass jeder von ihnen ein Viertel des Mondes in sein Grab mitnehmen möchte.
So gelangt der Mond in die Unterwelt und weckt dort durch sein ungewohntes Licht die Toten. Die Toten werden wieder aktiv und fangen an, sich laut zu amüsieren. Als der heilige Petrus diesen Lärm hört, ruft er im Glauben, die Toten würden angreifen, die himmlischen Heerscharen zusammen. Da ein Angriff ausbleibt, begibt sich Petrus persönlich in die Unterwelt, beruhigt die Toten und nimmt den Mond mit in den Himmel, wo er ihn wieder aufhängt.
Das Märchen beschreibt zunächst eine Welt, die sich in dauerhafter Dunkelheit befindet, da weder Mond noch Sterne vorhanden sind. Vier Männer entdecken auf einer Reise eine künstlich erschaffene Lichtquelle, bezeichnet als „Mond“, der in einem fremden Reich als käufliches Gut erworben, gepflegt und genutzt wird. Angeregt durch den Nutzen dieser Lichtquelle beschließen sie, sie heimlich zu entwenden und in ihrer eigenen Heimat aufzustellen.
Die neue Lichtquelle bringt zunächst gesellschaftliche Vorteile und gemeinschaftliche Freude mit sich. Doch aufgrund des individuellen Anspruchs jedes Einzelnen auf einen Anteil am Mond wird dieser nach und nach durch die Aufteilung im Todesfall der Besitzer zerstört. Die Zerstückelung führt letztlich zur Rückkehr völliger Dunkelheit.
Die Handlung findet ihren Wendepunkt, als die einzelnen Mondteile sich in der Unterwelt wieder verbinden, was symbolisch als Wiederherstellung einer ursprünglichen Einheit interpretiert werden kann. Dadurch werden jedoch die Toten geweckt, die durch den ungewohnten Lichtreiz erneut ihre früheren Lebensgewohnheiten aufnehmen und für Unruhe sorgen. Diese Eskalation macht das Eingreifen einer höheren moralischen Instanz nötig: Der Heilige Petrus erscheint als ordnende Kraft, stellt die Ruhe in der Unterwelt wieder her und positioniert den Mond endgültig am Himmel. Damit entzieht er den Mond dauerhaft menschlicher Verfügung und stellt eine natürliche Ordnung wieder her.
Textanalyse des Märchens
Die linguistische Analyse des Märchens „Der Mond“ von den Gebrüdern Grimm umfasst mehrere Dimensionen, darunter die Struktur, Sprache und Themen des Textes.
Erzählstruktur: Das Märchen folgt der klassischen Struktur eines Volksmärchens: Es beginnt mit einer Einführung, in der die Ausgangssituation beschrieben wird – ein Land ohne Mondlicht. Dann erfolgt der eigentliche Plot mit den vier Burschen, die den Mond stehlen. Schließlich endet es mit einer Auflösung, in der der gestohlene Mond im Himmel aufgehängt wird.
Gattung und Form
Das Märchen „Der Mond“ zählt zu den Volksmärchen. Es besitzt typische Märchenmerkmale:
- Ort und Zeit: Unbestimmt („Vorzeiten“, namenlose Länder).
- Figuren: Unbenannte Charaktere (vier Burschen, Bauer, Schultheiß, Zwerge, Wichtelmänner, Heiliger Petrus), die symbolhafte Rollen einnehmen.
- Struktur: Einfache und klare Handlungsstruktur mit symbolischer Tiefe und moralischer Aussage.
- Fantastische Elemente: Lebende Tote, personifizierte Natur (Mond, der an einem Baum befestigt ist), übernatürliche Autorität (Heiliger Petrus).
Inhalt und Aufbau
Der Text ist in mehrere Abschnitte unterteilt, die jeweils einen klaren Fortschritt in der Handlung darstellen: das Entdecken des Mondes, der Plan der Burschen, der Transport, die Nutzung und Pflege des Mondes im Heimatland, die Teilung bei den Begräbnissen, die Folgen in der Unterwelt, und die Wiederherstellung der Ordnung durch den heiligen Petrus. Das Märchen gliedert sich in drei Phasen:
- Einleitung: Ein dunkles Land ohne Mond und Sterne, vier Wanderer gelangen in ein anderes Land, in dem der Mond käuflich erworben und gepflegt wird.
- Hauptteil: Raub des Mondes durch die Wanderer und Aufstellung in der Heimat, kurzfristige Freude, langfristiger Verlust durch egoistische Teilung nach ihrem Tod.
- Schluss: Konsequenzen in der Unterwelt (Unruhe der Toten) und letztlich Wiederherstellung der Ordnung durch Petrus. Der Mond wird am Himmel aufgehängt – endgültig und unverfügbar.
Figuren und ihre Funktion
- Die vier Burschen: Symbolisieren die menschliche Eigenschaft, Dinge besitzen und kontrollieren zu wollen. Ihr Egoismus, den Mond in Teile zu zerlegen, führt zum Verlust des gemeinschaftlichen Guts.
- Der Schultheiß: Vertritt weltliche Autorität, die das Licht verwaltet und pflegt, aber auch kommerzialisiert (Talerzahlungen), deutet Kritik an Korruption und Eigennutz an.
- Zwerge und Wichtelmänner: Repräsentieren die Naturwesen, die im Einklang mit der Umwelt leben und nur sichtbar werden, wenn natürliches Gleichgewicht herrscht.
- Die Toten: Symbolisieren unterdrückte Triebe, Instinkte oder alte, verdrängte Konflikte, die ans Licht kommen, sobald die geordnete Realität gestört wird.
- Heiliger Petrus: Verkörpert moralische und göttliche Autorität, die letztlich Ordnung und Gerechtigkeit wiederherstellt.
Symbolik und Metaphorik
- Mond: Symbol für Erkenntnis, Vernunft, Zivilisation und Gemeinschaft. Verlust des Gemeinschaftssinns durch egoistische Aneignung. Unvermeidliche Erneuerung nach Krisen und Verlusten.
- Eiche: Stärke und Beständigkeit, aber auch Weltachse, Verbindung zwischen Himmel und Erde.
- Dunkelheit: Unwissenheit, Chaos, Orientierungslosigkeit.
- Die Unterwelt: Verdrängte Ängste, Triebe und das Unbewusste, das sichtbar wird, wenn die gewohnte Ordnung bricht.
Sprache und Stil
Die Sprache ist altmodisch und typisch für Märchen der Gebrüder Grimm, mit einfachen, aber wirkungsvollen Sätzen. Der Satzbau ist größtenteils parataktisch, was der Geschichte eine klare und direkte Erzählweise verleiht. Die Lexik ist reich an bildhaften Ausdrücken, wie „der Himmel wie ein schwarzes Tuch“, was das Fehlen von Licht im Ausgangsland eindrucksvoll beschreibt.
- Einfache, klare Sprache typisch für Grimm-Märchen.
- Bildhafte und symbolreiche Erzählweise, kaum psychologische Ausgestaltung der Figuren.
- Direkte Rede zur Verdeutlichung der Handlung und Charaktereigenschaften.
- Wiederholungen („ein Viertel des Mondes“, jedes Mal wenn einer stirbt) zur Betonung des Verlusts. Die wiederholte Teilung des Mondes in Viertel verstärkt den fortschreitenden Verlust der Lichtquelle und das Schwinden der Helligkeit.
- Metaphern und Vergleiche: Der Mond wird als „leuchtende Kugel“ beschrieben, was seine Rolle als Lichtquelle betont und gleichzeitig seinen magischen Charakter unterstreicht.
- Personifikation: Die Beschreibung des Mondes als etwas, das „geliehen“ und „aufgehängt“ werden kann, verleiht ihm menschliche Attribute.
Themen
- Licht und Dunkelheit: Das zentrale Thema ist das Spiel zwischen Licht und Dunkelheit. Der Mond wird als essentiell für das Wohlbefinden der Menschen dargestellt, sowohl in der Welt der Lebenden als auch in der Unterwelt.
- Diebstahl und Besitz: Der Mond wird als Besitzobjekt betrachtet, das gestohlen und in Teilen vererbt werden kann. Dies thematisiert Besitzansprüche und die Folgen von Diebstahl.
- Tod und Jenseits: Die Geschichte beschäftigt sich auch mit dem Tod und einer Vorstellung des Jenseits, indem die Toten durch das Mondlicht wiederbelebt werden und ihrer „alten Lebensweise“ nachgehen.
- Moralische und kosmische Ordnung: Die Rückkehr des Mondes an den Himmel durch den heiligen Petrus deutet auf die Wiederherstellung der Ordnung und die Macht höherer Mächte hin, die letztlich für Balance sorgen.
- Gemeinwohl vs. Egoismus: Verlust durch egoistische Aneignung gemeinschaftlicher Güter.
- Zyklus von Zerstörung und Wiederherstellung: Symbolisiert ewige Kreisläufe der Natur und menschlicher Gesellschaft.
- Folgen menschlicher Gier: Kettenreaktion, die zum Verlust der Ordnung und Stabilität führt.
- Menschliche Eingriffe in die Natur: Kritik am menschlichen Versuch, Naturkräfte unter Kontrolle zu bringen oder zu kommerzialisieren.
Insgesamt ist „Der Mond“ ein reiches Märchen, das auf symbolische Weise über die Verbindung zwischen der irdischen und der himmlischen Welt sowie über die Wichtigkeit von Licht und Ordnung erzählt.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Nummer | KHM 175 |
Übersetzungen | DE, EN, DA, ES, FR, PT, IT, JA, NL, PL, RU, TR, VI, ZH |
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 70.7 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 39.9 |
Flesch-Reading-Ease Index | 57.3 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 10.2 |
Gunning Fog Index | 11 |
Coleman–Liau Index | 12 |
SMOG Index | 11.7 |
Automated Readability Index | 11.3 |
Zeichen-Anzahl | 4.092 |
Anzahl der Buchstaben | 3.271 |
Anzahl der Sätze | 34 |
Wortanzahl | 677 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 19,91 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 135 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 19.9% |
Silben gesamt | 1.035 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,53 |
Wörter mit drei Silben | 75 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 11.1% |