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Es war einmal eine Frau mit ihrer Tochter. Die lebten in einem schönen Garten mit Kohl. Dahin kam ein Häschen und fraß zur Winterzeit allen Kohl. Da sagte die Frau zur Tochter: „Geh in den Garten und jag‘ das Häschen!“ Sagt das Mädchen zum Häschen: „Schu! schu! Du Häschen, frisst noch allen Kohl!“ Sagt das Häschen: „Komm, Mädchen, und setz dich auf mein Hasenschwänzchen und komm mit in mein Hasenhüttchen!“ Mädchen will nicht.
Am anderen Tag kommt’s Häschen wieder und frisst den Kohl. Da sagt die Frau zur Tochter: „Geh in den Garten und jag‘ das Häschen!“ Sagt das Mädchen zum Häschen: „Schul! Schu! Du Häschen, frisst noch allen Kohl!“ Sagt das Häschen: „Komm, Mädchen, setz dich auf mein Hasenschwänzchen und komm mit mir in mein Hasenhüttchen.“
Mädchen will nicht. Am dritten Tag kommt’s Häschen wieder und frisst den Kohl. Da sagt die Frau zur Tochter: „Geh in den Garten und jag‘ das Häschen!“ Sagt das Mädchen: „Schu! schu!
Du Häschen, frisst noch allen Kohl!“ Sagt das Häschen: „Komm, Mädchen, setz dich auf mein Hasenschwänzchen und komm mit mir in mein Hasenhüttchen!“ Mädchen setzt sich auf das Hasenschwänzchen. Da bracht“ es das Häschen weit hinaus in sein Hüttchen und sagt: „Nun koch“ Grünkohl und Hirse, ich will die Hochzeitsleute bitten.“
Da kamen alle Hochzeitsleute zusammen. Wer waren denn die Hochzeitsleute? Das kann ich dir sagen, wie es mir ein anderer erzählt hat: das waren alles Hasen, und die Krähe war als Pfarrer dabei, die Brautleute zu trauen, und der Fuchs als Küster, und der Altar war unterm Regenbogen.
Mädchen aber war traurig, da sie so alleine war. Kommt’s Häschen und sagt: „Mach auf, mach auf, die Hochzeitsleute sind lustig!“ Die Braut sagt nichts und weint. Häschen geht fort, Häschen kommt wieder und sagt: „Mach auf, mach auf, die Hochzeitsleute sind hungrig.“ Die Braut sagt wieder nichts und weint. Häschen geht fort; Häschen kommt wieder und sagt: „Mach auf, mach auf, die Hochzeitsleute warten.“
Da sagt die Braut nichts und Häschen geht fort; aber sie macht eine Puppe aus Stroh mit ihren Kleidern, und gibt ihr einen Rührlöffel, und setzt sie an den Kessel mit Hirse, und geht zur Mutter. Häschen kommt noch einmal und sagt: „Mach auf, mach auf,“ und macht auf und wirft der Puppe was an den Kopf, dass ihr die Haube abfällt.
Da sieht Häschen, dass es seine Braut nicht ist, und geht fort und ist traurig.
Hintergründe zum Märchen „Häsichenbraut“
„Häsichenbraut“ (KHM 66) ist ein Märchen aus der Sammlung der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Es erschien ab der 2. Auflage von 1819 und wurde in den folgenden Ausgaben beibehalten. Die Geschichte ist in einem stark mit hochdeutschen Elementen durchmischtem Plattdeutsch verfasst, das in der Sammlung der Grimms eher selten vorkommt. Die Brüder Grimm erhielten das Märchen in einem Brief von Georg Friedrich Fallenstein im Jahr 1815. Fallenstein hatte die Geschichte von einer alten Bäuerin bei Buckow „im Wendenlande“ gehört. Wilhelm Grimm bearbeitete den Text, indem er Wiederholungen einfügte und den Text ins Plattdeutsche übersetzte. Der hochdeutsche Einschub in Klammern stammt von einem zweiten Erzähler des Märchens, den Fallenstein ebenfalls gehört hatte.
„Häsichenbraut“ ist ein einfaches und kindliches Märchen, das sich auf die Abenteuer eines kleinen Mädchens konzentriert, das vom Häschen verführt wird, ihm zu folgen. Die Handlung beinhaltet Elemente von Täuschung, als das Mädchen eine Strohpuppe an ihrer Stelle lässt, um dem Häschen zu entkommen. Die Geschichte kann als eine entschärfte und kindgerechte Version von KHM 46 „Fitchers Vogel“ betrachtet werden, einem Märchen, das ebenfalls von den Brüdern Grimm gesammelt wurde und zu dem Märchentyp 311 gehört.
Das Plattdeutsche in „Häsichenbraut“ ist nach Ansicht von Experten mangelhaft nachgeahmt, wie auch in anderen Dialektmärchen der Brüder Grimm. Diese sprachliche Eigenheit ist ein interessanter Aspekt des Märchens und verleiht ihm einen besonderen Charakter innerhalb der Sammlung der Brüder Grimm. „Häsichenbraut“ ist vielleicht nicht so bekannt wie andere Märchen der Brüder Grimm, aber es hat dennoch seinen Platz in der deutschen Märchenliteratur und wurde von verschiedenen Künstlern illustriert, darunter Walter Crane und Otto Ubbelohde. Die Geschichte inspirierte auch Forscher und Literaturwissenschaftler dazu, sich mit den Hintergründen und der Herkunft des Märchens zu beschäftigen.
Interpretationen zum Märchen „Häsichenbraut“
Obwohl „Häsichenbraut“ (KHM 66) nicht zu den bekanntesten Märchen der Brüder Grimm zählt, bietet es dennoch interessante Interpretationsmöglichkeiten und gibt Einblicke in die Motive und Themen, die in der Märchenwelt präsent sind. Hier sind einige Interpretationen und Analysen zum Märchen:
Initiationsritus und Erwachsenwerden: Das Märchen kann als eine Art Initiationsgeschichte interpretiert werden, in der das Mädchen auf eine Reise geht, um ihre eigenen Grenzen und ihre Fähigkeit zur Selbstbehauptung zu erkunden. Das Häschen repräsentiert möglicherweise eine Versuchung oder eine unbekannte Welt, in die das Mädchen eintreten muss, um ihre eigene Reife und Unabhängigkeit zu erlangen.
Weibliche List und Autonomie: Eine weitere Interpretation konzentriert sich auf die Rolle der weiblichen List im Märchen. Das Mädchen verwendet eine Strohpuppe, um dem Häschen zu entkommen, und zeigt damit ihre Fähigkeit, sich den Erwartungen und Forderungen von anderen zu entziehen. Diese List ermöglicht es dem Mädchen, ihre Autonomie und Entscheidungsfreiheit zu bewahren, was in vielen Märchen eine wichtige Rolle spielt.
Tiervermenschlichung und Symbolik: Die Tierfiguren im Märchen, insbesondere das Häschen, können als symbolisch für menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen betrachtet werden. Das Häschen verführt das Mädchen, indem es menschenähnliche Fähigkeiten zeigt, wie zum Beispiel das Sprechen und das Organisieren einer Hochzeit. Dies zeigt, wie Märchen häufig Tiere verwenden, um menschliche Motive, Emotionen und Handlungen zu veranschaulichen.
Die Bedeutung von Gehorsam und Rebellion:
Das Märchen zeigt auch das Spannungsverhältnis zwischen Gehorsam und Rebellion. Die Mutter des Mädchens schickt sie, um das Häschen aus dem Garten zu vertreiben, und das Mädchen folgt zunächst diesen Anweisungen. Doch später entscheidet sie sich, dem Häschen zu folgen und sich gegen die Erwartungen ihrer Mutter zu stellen. Diese Rebellion ermöglicht es dem Mädchen, ihre eigene Identität und Entscheidungsfähigkeit zu entdecken, auch wenn sie am Ende des Märchens unglücklich ist.
Verwandlung und Enttäuschung: Schließlich kann das Märchen auch als eine Geschichte über Verwandlung und Enttäuschung interpretiert werden. Das Mädchen verwandelt sich durch ihre List und das Häschen wird enttäuscht, als es merkt, dass es getäuscht wurde. Diese Elemente der Verwandlung und Enttäuschung sind in vielen Märchen präsent und zeigen, wie Charaktere ihre wahren Absichten verbergen und anderen täuschen, um ihre Ziele zu erreichen.
Adaptionen zum Märchen „Häsichenbraut“
„Häsichenbraut“ (KHM 66) ist ein deutsches Märchen, das von den Gebrüdern Grimm gesammelt und 1819 in der zweiten Ausgabe von Kinder- und Hausmärchen (Grimms Märchen) veröffentlicht wurde. Es ist als Aarne-Thompson Typ 311 klassifiziert. Obwohl „Häsichenbraut“ (KHM 66) nicht zu den bekanntesten Märchen der Brüder Grimm gehört, gibt es dennoch einige Adaptionen und künstlerische Interpretationen der Geschichte. Hier sind einige konkrete Beispiele:
Illustrationen: Künstler wie Walter Crane (1890) und Otto Ubbelohde (1909) haben das Märchen „Häsichenbraut“ illustriert. Ihre Zeichnungen zeigen die verschiedenen Szenen der Geschichte und bieten eine visuelle Interpretation des Märchens. Diese Illustrationen sind in verschiedenen Ausgaben der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm enthalten und tragen dazu bei, die Geschichte für das Publikum lebendig werden zu lassen.
Theater- und Puppenspiel-Adaptionen: Das Märchen „Häsichenbraut“ wurde in einigen regionalen Theatern und Puppenspielgruppen aufgeführt. Obwohl es nicht so viele bekannte Adaptionen wie bei anderen Märchen der Brüder Grimm gibt, ermöglichen diese Aufführungen, die Geschichte auf der Bühne lebendig werden zu lassen und das Publikum in die Welt des Mädchens und des Häschens zu entführen.
Kurzfilme und Animationen: Es gibt einige kurze Filme und Animationen, die auf dem Märchen „Häsichenbraut“ basieren. Diese Adaptionen nutzen die visuellen Möglichkeiten des Mediums, um die Geschichte auf neue und kreative Weise zu erzählen. Beispielsweise existiert ein deutscher Kurzfilm namens „Das Häschen und die Braut“ (2014) von Regisseurin Anja Jacobs, der sich lose auf das Märchen bezieht.
Literarische Adaptionen: Einige Autoren haben das Märchen „Häsichenbraut“ als Inspiration für eigene Geschichten oder Neuinterpretationen verwendet. Diese literarischen Adaptionen können die Geschichte in einem neuen Kontext oder mit neuen Charakteren erzählen, wodurch das Märchen aktualisiert und für ein modernes Publikum interessant gemacht wird. Zum Beispiel hat die deutsche Autorin Cornelia Funke in ihrem Buch „Reckless – Steinernes Fleisch“ (2010) eine Erwähnung des Märchens „Häsichenbraut“ eingebaut.
Obwohl „Häsichenbraut“ nicht so viele Adaptionen und Neuinterpretationen erfahren hat wie einige der bekannteren Märchen der Brüder Grimm, zeigt die Vielfalt der oben genannten Beispiele, dass die Geschichte immer noch Einfluss hat und in verschiedenen künstlerischen Medien und Kontexten präsent ist.
Zusammenfassung der Handlung
„Häsichenbraut“ ist ein Märchen der Brüder Grimm, das von einem kleinen Mädchen handelt, das auf ein sprechendes Häschen trifft. Die Geschichte beginnt, als die Mutter des Mädchens sie in den Garten schickt, um das Häschen zu vertreiben, das dort den Kohl frisst. Bei jedem Versuch, das Häschen zu verjagen, lädt es das Mädchen ein, auf seinem Schwänzchen zu sitzen und mit ihm zu kommen. Beim dritten Mal willigt das Mädchen ein und folgt dem Häschen.
Das Häschen bringt das Mädchen zu seinem Zuhause und bittet sie, Grünkohl und Hirse für die bevorstehende Hochzeit zuzubereiten. Es holt die Hochzeitsgäste und fordert das Mädchen dreimal auf, den Tisch zu decken. Anstatt den Anweisungen des Häschens zu folgen, weint das Mädchen jedoch.
Beim dritten Versuch, das Mädchen dazu zu bringen, den Tisch zu decken, entscheidet sie sich, das Häschen zu täuschen. Sie stellt eine Strohpuppe an ihren Platz, zieht dieser ihre eigenen Kleider an und geht nach Hause. Das Häschen bemerkt die Täuschung, als es der Puppe auf den Kopf schlägt und die Haube herunterfällt, die die Strohpuppe enttarnt. Daraufhin verlässt das Häschen traurig das Haus.
Informationen für wissenschaftliche Analysen
Kennzahl | Wert |
---|---|
Nummer | KHM 66 |
Aarne-Thompson-Uther-Index | ATU Typ 311 |
Übersetzungen | DE, EN, DA, ES, FR, PT, IT, JA, NL, PL, RU, TR, ZH |
Lesbarkeitsindex nach Amstad | 90.2 |
Lesbarkeitsindex nach Björnsson | 28.4 |
Flesch-Reading-Ease Index | 81.8 |
Flesch–Kincaid Grade-Level | 4.6 |
Gunning Fog Index | 4.8 |
Coleman–Liau Index | 11.3 |
SMOG Index | 7.5 |
Automated Readability Index | 5.8 |
Zeichen-Anzahl | 2.392 |
Anzahl der Buchstaben | 1.843 |
Anzahl der Sätze | 36 |
Wortanzahl | 400 |
Durchschnittliche Wörter pro Satz | 11,11 |
Wörter mit mehr als 6 Buchstaben | 69 |
Prozentualer Anteil von langen Wörtern | 17.3% |
Silben gesamt | 538 |
Durchschnittliche Silben pro Wort | 1,35 |
Wörter mit drei Silben | 20 |
Prozentualer Anteil von Wörtern mit drei Silben | 5% |